Dienstag, 24. September 2019

Wandel ist möglich

Foto: Barbara Krug
So unterschiedlich unsere Positionen auch sein mögen, lasst uns mit offenem Herzen vorangehen und immer bedenken: Gott ist immer der Größere

Kölner Appell an die Deutschen Bischöfe

von Maria Mesrian
 

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen, liebe Kölner!

Ein besonderes Willkommen an unsere evangelischen Mitgeschwister und an alle, die hier sind und mit uns aufstehen! Danke, dass Ihr alle hier seid! Ihr zeigt damit, dass Euch eine 2000 Jahre alte Botschaft wichtig ist. So wichtig, dass wir jetzt für sie aufstehen!

Ich habe fünf Kinder, vor denen ich die Kirche in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht mehr glaubwürdig vertreten kann. Das möchte ich ändern. Deshalb stehe ich hier! Ich bin überzeugte Christin und katholische Theologin. Für mich hat das Evangelium Lebenskraft. Und wenn ich eines mit Sicherheit sagen kann, dann dies: Das Leben ist Wandel. Jeden Tag verwandelt sich eine Nacht in einen neuen Morgen. Gott wird Mensch und traut dem Menschen Wandel zu und er traut es seiner Kirche zu! Wieviele Wandlungen hat die Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit erlebt! Gott allein bleibt dabei derselbe. Seine Botschaft will immer wieder neu erzählt werden. Die Botschaft der Liebe und Gerechtigkeit.




Der Moment ist da, sich zu erheben. Maria 2.0 hat Frauen und Männern eine Stimme gegeben. Unser Aufbruch kommt aus dem Innersten der Kirche, aus ihrer Herzkammer. Von Menschen, denen wirklich noch etwas an dieser Kirche liegt: Weil ihnen die Botschaft Jesu heilig ist. Wir brauchen Kirche als Gemeinschaft, weil die Frohe Botschaft einen Raum braucht, in dem sie sich entfalten kann. Aber: Dieser Raum kann nicht gefüllt sein von Enge und Ängsten gegenüber allem, was scheinbar anders ist, von Unbarmherzigkeit und Ausschluss, von Denk- und Diskussionsverboten.

Die Botschaft Jesu ist eine andere: Sie ist geprägt von Liebe, von großer innerer Freiheit und von Gerechtigkeit. Wie viel Weite! Das Evangelium ist die Richtschnur, an der wir uns ausrichten:

Dann sind Frauen und Männer gleichberechtigt.

Dann sind Strukturen demokratisch und transparent und nicht monarchisch.
Dann sind wir eine Mahlgemeinschaft.
Dann sind Menschen egal welcher sexuellen Orientierung willkommen.
Dann ist jede*r Mensch willkommen, der nach Gott fragt.

Das ist die Kirche für die ich stehe und die ich glaubwürdig vertreten kann.

II. Ich kann keine Kirche mehr vertreten - auch gegenüber meinen eigenen Kindern, in der Männer mehr Rechte als Frauen haben: Frauen tragen das Evangelium seit 2000 Jahren weiter. Unterm Kreuz waren sie eindeutig in der Mehrzahl. Auch die Botschaft vom Auferstandenen wurde als erstes von einer Frau weitergegeben, von Maria Magdalena, Apostolin der Apostel. Wir tragen den Glauben in den Familien weiter, wir sind die Stützpfeiler der Gemeinden.
Wir sind 600 Millionen Katholikinnen und wir fordern eine Stimme!

Die gegenwärtigen Strukturen haben systemisch den Missbrauch hervorgebracht. Deshalb darf es in der gegenwärtigen Situation keine Denk- und Diskussionsverbote geben. Deshalb muss die Erneuerung der Kirchen bei den Strukturen beginnen. Gleichberechtigung ist in der DNA des Evangeliums angelegt, nicht abgehobene Hierarchie und absolutistische Machtstrukturen. Die gibt es in totalitären Regimen. Die Kirche kann kein totalitäres Regime sein, wenn sie auf dem Boden des Evangeliums steht

Nächstenliebe ist die Hauptschlagader einer lebendigen Kirche. Barmherzigkeit ihr Grundgesetz. Deshalb kann ich keine Kirche mehr glaubwürdig vertreten, in der Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder wegen ihrer
Lebensführung gedemütigt und ausgeschlossen werden.

Jesus hat das Abendmahl mit seinen Jüngern gefeiert als Zeichen der Gemeinschaft. Ich kann keine Eucharistiefeier feiern, wenn wir Christen anderer Konfessionen von diesem gemeinsamen Mahl ausschließen. Das ist Missbrauch von Macht und widerspricht fundamental der Lehre und Praxis Jesu. Es gibt keine einzige Stelle im Evangelium, in der Jesus jemanden ausschließt oder abweist. Mit welchem Recht tut dies seine Kirche?

Deshalb fordern wir:


Gleichberechtigung und Zugang zu allen Ämtern der Kirche für alle Getauften und Gefirmten!
Demokratische synodale Strukturen!
Gelebte Ökumene!
Abschaffung des Pflichtzölibats!


III. Den deutschen Bischöfen, die morgen ihre Herbstvollversammlung beginnen, gebe ich mit auf den Weg:

Ich habe noch nie Kirche so lebendig gespürt wie in den letzten sechs Monaten. Frauen, Männer, Priester, Ordensfrauen und -männer, Theologen, Mitarbeiter im pastoralen Dienst, Menschen
zwischen 19 und 90, die enttäuscht aus der Kirche ausgetreten sagen zu mir: Mit Maria 2.0 kann ich endlich wieder stolz sein auf diese Kirche! Endlich bewegt sich etwas! Sie machen uns Mut!

Liebe Bischöfe! Maria 2.0 - das sind auch Ihre Mütter und ihre Schwestern. Maria 2.0 - das sind Frauen, die fest im katholischen Glauben verwurzelt sind. Wir befinden uns nicht in einer Glaubenskrise. Das ist eine Kirchenkrise.

Liebe Bischöfe begreift, was hier passiert! Das ist ein neues Pfingsten für das Volk Gottes! Darum ist unsere Botschaft an Sie, die deutschen Bischöfe: Die Kirche in der gegenwärtigen Form hat sich überlebt. Sie hat ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Kirche muss neu geboren werden.

Kirche wird sich wandeln - aber nur, wenn Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Gleichberechtigung und Mitverantwortung sind kein Zeitgeist! Sie sind Gebot der Stunde, wenn Kirche lebendig erfahren werden will vor allem von unseren Kindern!

Liebe Bischöfe! Sie sind Söhne des 2. Vatikanischen Konzils! Wovor haben Sie Angst? Ist das Evangelium nicht stark genug? Die einzige Frage, die Sie leiten darf, ist:
Dient unsere Haltung der Verkündigung der Frohen Botschaft in dieser Zeit oder dient sie ihr nicht? Kirche muss sich zuerst selbst wieder in die Spur des Evangeliums bringen bevor sie die Welt evangelisiert. Stehen Sie mutig und entschlossen für das auf, was Sie vom Evangelium verstanden haben! Aber STEHEN SIE AUF! Sie stehen in der heiligen Pflicht, sich aus ihrer Erstarrung zu lösen! Kirchenreform ist Gotteszeugnis! Wir werden im Gebet an Ihrer Seite sein und nicht aufgeben, bis diese Kirche das Gesicht hat, das dem Geist des Evangeliums entspricht!

Viele mögen sagen, diesen Wandel erleben wir nicht mehr. Denen entgegne ich: Die Mauer ist auch in einer Nacht gefallen wie im Psalmwort: Mit meinem Gott überspringe ich Mauern. Auch die Mauern der Ignoranz , Engstirnigkeit und des Machtgehabes! Kirche hat sich in 2000 Jahren immer verändert und sie wird sich auch jetzt verändern - auch in diesem Moment!

Auf allen Wegen, die wir in dieser für die Kirche bewegten Zeit gemeinsam beschreiten, so unterschiedlich unsere Positionen auch sein mögen, lasst uns mit offenem Herzen vorangehen und immer bedenken: Gott ist immer der Größere!

So schließe ich mit den Worten aus dem Johannesbrief: Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm!

Gebet:
In der Kirche von morgen
gibt es kein Oben und Unten
Nicht Männer und Frauen
Nur Menschen
die das Brot brechen und den Wein teilen
Damit Gott wieder Mensch werden kann in dieser Kirche und in dieser Welt.


Maria Mesrian hat nach ihrem Theologiestudium eine Ausbildung zur Pressereferentin gemacht und beim ZDF in dieser Funktion gearbeitet. Sie ist Aktivistin bei Maria 2.0 und wohnt in Köln. Wir dokumentieren die Rede, die Maria Mesria am 22. September 2019 auf dem Roncalliplatz bei der Veranstaltung "Steht auf und schweigt nicht!" gehalten hat.

2 Kommentare:

  1. PS: Gratulation und Dank an MM! Ein erstklassiges Statement!

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  2. Einfach super. Gebt der Kirche ihre Sinn zurück

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