Mittwoch, 12. März 2025

Für die Menschen bestellt

Foto: Katharina Menne
Michael Paetzold hatte kein Bischofswappen nötig, um "für die
Menschen bestellt" zu sein. Er war es einfach, mit jeder Faser seines Körpers, ein ganzes Leben lang. Wenn Franz Meurer die eine Herzkammer und die eine Gehirnhälfte von HöVi ist, ist Michael Paetzold die anderen  beiden gewesen. Ich bin unfassbar bestürzt und traurig darüber, dass er nun nicht mehr da ist.

Von Peter Otten

Vor einigen Jahren lag ich mit einer rätselhaften Herzerkrankung im Krankenhaus. Michael Paetzold hatte einen Rettungswagen angefordert, obwohl seine Praxis nur zwei Steinwürfe vom Krankenhaus Kalk entfernt ist. Ich hatte eingewandt: "Michael, so ein Aufwand! Ich kann doch eben rübergehen!" Aber das kam für ihn selbstverständlich nicht infrage. Kein Aufwand war ihm zu groß, wenn es um das Wohl der Menschen ging, die im anvertraut waren. Dazu zählten seine Patienten, denen er sich mit bewundernswerter Aufmerksamkeit zuwandte. Und deswegen tauchte er auch bei mir auf der Intensivstation in Kalk auf, als es draußen schon dunkel wurde. Und nicht nur einmal. Dazu zählten auch und vor allem die Menschen in HöVi, deren Pfarrgemeinderat er gefühlt leitete, seit er laufen und denken konnte. Wenn Franz Meurer die eine Herzkammer und die eine Gehirnhälfte von HöVi ist, ist Michael Paetzold die anderen beiden gewesen. Was für ein menschlicher, fachlicher und spiritueller Verlust. Welch ein großes unglaubliches Geschenk ist er für uns gewesen. Welch ein Vorbild für alle, auch für mich. Ein Mensch mit tiefen Vertrauen in das Gute des Menschen und darauf, dass sie von Gott gehalten sind, komme was da wolle.

Manchmal blättere ich meine HöVi-Fotoalben durch, die ich zum Abschied geschenkt bekommen habe. So auch jetzt. Und zu jedem Foto gibt es eine Geschichte. Mitten drin: Michael, der HöVi-Doc. Der jeden Sommer für drei Wochen seinen Arbeitsplatz in seiner Praxis verlassen hat und seinen Urlaub im HöVi-Land verbrachte. Wo er selbstverständlich nicht ausgespannt hat. Sondern sich in jedem Jahr um die riesige Hüpfburg kümmerte, die er persönlich auf den Platz transportierte, jeden Tag neu aufblies, wienerte und beaufsichtigte. Wenn er gerade nicht in seiner HöVi-Doc-Praxis anzutreffen war, wo er kleine und große Wehwehchen der Kinder, der Leiterinnen und Leiter und all der Erwachsenen mit bewunderswertem Gleichmut, Geduld und Zuwendung behandelte. Überhitzte Körper, Mückenstiche und Schürfwunden.

Für mich als jungem Seelsorger war das alles unglaublich. Das Reich Gottes war auf einmal kein abstraktes theologisches Konstrukt mehr, herabdoziert von irendeinem Universitätskatheder. Da brach es ja an, mitten im Sturzregen, wo Michael in Gummistiefeln seelenruhig eine Spritze aufzog, um wieder mal einen Leiter gegen Tetanus zu behandeln. Hier war es doch zu erspähen, wo Michael sich nicht zu schade war, Tische zu schleppen, beim Mottofest Blödsinn zu machen oder am dampfenden Grill die Würstchen zu wenden. Michael hatte kein Bischofswappen nötig, um "für die Menschen bestellt" zu sein. Er war es einfach, mit jeder Faser seines Körpers, unermüdlich, wenn er nach langen Praxistagen in seinem kleinen Nissan Micra auf dem Parkplatz einbog, um noch die PGR-Sitzungen zu leiten, schnell noch Patientenanrufe beantwortete oder in seinen vielen Ehrenämtern unterwegs war. "Für die Menschen bestellt", das hat er mit einer Ernsthaftigkeit und Konsequenz gelebt, die unglaublich bewunderswert und im gewissen Sinne einzigartig gewesen ist und die sich auch in seinen klaren Positionen zu Strukturen und Aufgaben der Kirche zeigte. Entweder ist sie für die Menschen da, oder sie macht keinen Sinn. Für Folklorechristentum war Michael Paetzold nicht zu haben. Gott zeigt sich im Gegenüber. Im HöVi-Kind, im Patienten, im Mitbürger. Michael hatte es nie nötig, das zu behaupten, er hat das in einer prophetischen und zugleich einzigartig bescheidenen Weise gelebt und damit über Jahrzehnte ein ganzes Stadtviertel und eine Pfarrgemeinde geprägt. Auch mich persönlich, worüber ich sehr dankbar bin. Denn Menschen wie Michael habe ich es zu verdanken, dass ich meinen Platz in der Kirche gefunden habe. Dass er jetzt nicht mehr da sein soll ist unfassbar, eine Unmöglichkeit, ein undenkbarer Gedanke. Die Traurigkeit ist groß. Was im Moment bleibt sind Gedanken und Gebete für seine einzigartige Familie.

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