Jetzt hat Papst Leo ein Interview gegeben. Was steht drin? Wie immer bei Päpsten: Große Gesten, null Veränderung. Was sollten Katholiken jetzt machen? Besser nicht wieder jedes päpstliche Wort auf die Goldwaage legen. Wie wärs mit einer Selbsthilfegruppe? Oder wenigstens mit einem ehrlichen Sudoku?
Von Peter Otten
Jetzt hat Papst Leo ein Interview gegeben. Es ging um die üblichen Themen: Homosexualität, Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen, Frauen in der Kirche. Und wie immer: große Gesten, kleine Worte, null Veränderung. Was sagt Leo im Interview zum Thema Missbrauch? Kein "zentrales Thema" während seines Pontifikats. Ach so. Verzeihung.
Und jetzt sitzen sie wieder da, die Profi-Katholiken. Und wahrscheinlich starren sie wieder auf jedes Komma, jede kleine Zuckung seiner päpstlichen Augenbraue, voller österlicher Hoffnung wider alle Hoffnung. Ob irgendwo doch wenigstens ein kleiner Hauch weißer Dunst durch die päpstliche Amtsstube zieht? Da hinten? Da oben? Siehst du ihn nicht? „Vielleicht, wenn man es so liest… vielleicht, wenn man es anders betont… vielleicht, wenn man die Worte rückwärts spricht…“ Ja, vielleicht. Vielleicht ist die Bahn pünktlich.
Das ist wie beim Glücksspieler, der denkt: „Beim nächsten Mal, da gewinne ich bestimmt.“ Und der wieder eine Zwanziger kleinmacht und in den Automaten schiebt. Katholiken! Das macht ihr schon seit weiß Gott wie lang - aber merkt ihr es nicht? Da kommt nichts mehr. Keine drei Kirschen, Erdbeeren, nicht mal Zitronen. Das ist eher wie bei einem Süchtigen, mit stieren Augen auf der Suche nach einem Krümel Crack. Da muss es doch diesen Halbsatz von Leo geben, Moment ... und schwupps – das Herz pocht wieder. „Vielleicht bewegt sich doch was… vielleicht…“ Nein! Was ihr macht ist die katholische Version von „nur noch diese eine Zigarette“.
Deshalb, liebe katholischen Freundinnen und Freunde: Vielleicht ist es Zeit für eine Selbsthilfegruppe der „Anonymen Katholiken“? Man sitzt im Kreis, stellt sich vor: „Hallo, ich bin Sabine, und ich hoffe seit 20 Jahren, dass die Kirche Frauen ernst nimmt.“ – „Hallo Sabine!“ – "Hallo, ich bin der Gerd, und ich hoffe seit 15 Jahren, dass die katholische Kirche sexualisierte Gewalt aufarbeitet mit allem Pipapo." - "Hallo Gerd!" - und dann übt man: einen Sonntag ohne Papstzitate, eine Woche ohne Lektüre von Berichten über päpstliche Schuhe und ob er jetzt in eine WG zieht oder nicht.
Liebe Profi-Katholikinnen und -katholiken (Bischöfe außer die in Köln und Bayern sind mitgemeint): Jetzt kommt mein Vorschlag. Statt Leo-Interviews wieder nach Nostradamus-Art zu deuten, lieber mal einen Blick ins Leben riskieren. Mensch sein, Verantwortung übernehmen, den Mensch, den du liebst umarmen, Mittagessen kochen, Wählen gehen, einen Plausch mit dem Bettler vorm REWE halten, ein Gebet murmeln, Demokratie üben, von mir aus Kirche zur Not selbst machen. Zu tun gibt es genug. Und wenn die Sehnsucht nach dem nächsten päpstlichen Interview zu groß wird: tief durchatmen, Kaffee trinken und lieber ein ehrliches Sudoku lösen.
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