Schon seit 2001 und nicht erst seit 2020 waren Ortsbischöfe verpflichtet, Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs durch Kleriker unabhängig vom Ergebnis der Voruntersuchung nach Rom zu melden. Es nun anders darzustellen entlarvt die angeblich so konsequente Missbrauchsbekämpfung durch Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus als Mythos und Fake.
Von Norbert Lüdecke
Laut Medienberichten hat die Bischofskongregation das Vorgehen des Erzbischofs von Köln, einen erwiesenen Fall von Missbrauch nicht der Glaubenskongregation zu melden, für kirchenrechtskonform erklärt. Es sei vielleicht unklug gewesen, eine Rechtspflicht zur Meldung gebe es aber erst seit 2020.
Moment - wie lautet noch mal das Mantra der römischen Missbrauchsbekämpfung? Der Heilige Stuhl sei auch der Kirche in Deutschland immer weit voraus gewesen. Auf Betreiben von Kardinal Ratzinger hat Papst Johannes Paul II. mit Sondernormen aus dem Jahre 2001 hart durchgegriffen: Weil die Bischöfe in der Verfolgung dieser Taten versagten, entzog er ihnen die strafgerichtliche Zuständigkeit dafür und stellte ihr Handeln unter die vorgängige Kontrolle der Glaubenskongregation. Dazu verfügte er u. a., die Diözesanbischöfe müssten, sooft sie „wenigstens eine wahrscheinliche Kenntnis“ von einer solchen Tat haben, „dies der Kongregation für die Glaubenslehre mitteilen, sobald die Vorerhebung durchgeführt wurde“ (Art 13, 2001). Auf der Grundlage dieser Meldung würde die Kongregation dann über das weitere Vorgehen entscheiden. Das war unzweideutiger Klartext: Jedem auch nur wahrscheinlichem Verdacht ist durch eine Voruntersuchung nachzugehen, anschließend ist zu melden, unabhängig vom Ergebnis. Punkt. Aus. Ende. Und das war auch gut so – denn nur so konnte eine Kontrolle der bislang säumigen oder fahrlässigen Bischöfe funktionieren.