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Vor knapp vier Jahren erreichte eine skurile Geschichte aus Fulda einige Aufmerksamkeit. Gegenüber dem Fuldaer Dom, so wurde bekannt, gebe es wohl den einzigen Drogeriemarkt in
Deutschland, in dem keine Präservative feilgeboten würden. Grund: Das Haus gehört der katholischen Kirche. Und gemäß einer
Sittenklausel im Mietvertrag dürften dort
keine Artikel verkauft werden, die dem Ansehen der Kirche schaden könnten, hieß es seinerzeit. Im bischöflichen Generalvikariat konnte man damals die öffentliche Erregung nicht verstehen: „Ich weiß
nicht, was daran kurios sein soll“, habe Bistumssprecher Christof
Ohnesorge verlauten lassen und argumentiert, „die Kirche kann nicht einerseits
mechanische Verhütungsmittel ablehnen, aber andererseits dulden, dass in
einem Haus der Kirche mit Kondomen Geschäfte gemacht werden.“ Womit wir dann doch beim sogenannten Weltbild-Skandal angekommen
wären.
Für keinen Skandal und auch nicht für kurios hielt man wohl beim Abschluss des Mietvertrages von kirchlicher Seite die nicht ganz unproblematischen Arbeitsbedingungen
bei Schlecker. Jedenfalls waren sie offensichtlich kein Hinderungskriterium. Auch wurde man nicht aufmerksam, als Schlecker eine Leiharbeitsfirma
gründete, in die sie Beschäftige auslagerte und zu noch niedrigen Löhnen wieder
zurück nahm. Und wohl auch nicht, als es neben den Gewerkschaften auch
die Kirchen waren, die gegen derlei Umstruktierungen in der
Drogeriemarktkette zu protestieren begannen. Haltung muss man sich auch
im katholischen Kapitalismus eben leisten können. Anders als bei
problematischen Arbeitsbedingungen leistet sich die Kirche eine
knallharte Haltung in Sachen Sex.
Oder doch nicht? Zur Sachlage bei Weltbild hat zum Beispiel Felix Neumann das Wichtigste gesagt.
Er vergisst nicht, auf die schauerliche Form der Kritik mancher
hinzuweisen, um dann doch das Notwendige zu sagen: "Kirchliche
Beteiligungen an Unternehmen kann man (aus säkularer Sicht)
kritisch sehen – und sie sind (aus christlicher Sicht) auch
grundsätzlich zu hinterfragen und hinsichtlich katholischer Sozial- und
Morallehre zu überprüfen. Gerade die Kirche muß sich an ihren eigenen
Maßstäben messen lassen, und insofern ist der Spott, der im Netz über
die Kirche ausgebreitet wird, auch völlig berechtigt." Fragwürdige
Stilfragen in dieser Auseinandersetzung und vor allem in der Argumentation der selbsternannten Moralwächter beleuchtet auch sehr hellsichtig
der Münchener Exeget Gerd Häfner.
Doch: Auch das Bistum Fulda ist an Weltbild beteiligt und ihr Rechtsdirektor sitzt im Aufsichtsrat des Konzerns.
Mal vorsichtig gefragt: Ist das nicht doch tatsächlich ein bisschen -
sagen wir es mit den Worten des Fuldaer Bistumssprechers - "kurios"? Ist durch den Gewinn am Verkauf von Kondomen erwirtschafteter Mietzins verwerflicher als der Gewinn am Verkauf einiger umstrittener Bücher? Und ist das Wohl von Angestellten egaler als der Verkauf von Kondomen? Und ist das Sterben von kleinen Buchhandlungen und ihren oft sehr engagierten Besitzern und ihre oft wesentliche kulturelle Bedeutung in den Quartieren der Städte gegenüber den Gewinnen eines Riesenkonzerns wie Weltbild auch wieder ziemlich egal?
Es ist nicht die Doppelmoral, die hier interessiert. Sondern die Tatsache, dass die Kirche in der Verkündigung in und mit der Welt verbunden ist. Und demzufolge manchmal verstrickt. Und Jesu Satz "Bei euch soll es nicht so sein!" sollte bei Christen zu einem kulturellen Habitus geformt werden, dabei täglicher Stachel bleiben - aber keinem moralinsaurem Rigorismus entspringen. Eine ethische Haltung kann man nicht verordnen, sie bleibt lebenslange schmerzhafte Herausforderung und führt nicht immer zu glasklaren Antworten. Und niemand, auch keine katholischen Rigoristen können von sich sagen, dass sie nicht Teil der Welt wären: "Die „kleine Herde“ und die „Kirche der Reinen“ zu
fordern, ist darum ganz falsch und nach 2000 Jahren christlicher
Inkulturation schlicht ein Anachronismus", sagte Elmar Salmann vor wenigen Tagen in einem Interview mit Joachim Frank. "Ich verstehe das Bedürfnis
nach Radikalität des Glaubens und nach den klaren Verhältnissen einer
Minderheitenkirche. Aber etwas Künstliches hat das schon. Es gibt nicht
die Rückkehr in die Reinheit des Urchristentums, wie überhaupt die
offene, plurale Gesellschaft keine „Reinform“ kennt." Gab es die Reinheit je? Und auch dies sagt Salmann: "Selbst die
ultrakonservativen Katholiken heute sind ja eher Ausgeburten der
Postmoderne. Sie sind ein Farbtupfer auf der bunten Beliebigkeitspalette
– ein markanter vielleicht, aber bloß einer unter vielen."
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