Freitag, 20. Mai 2011

Wort-Bildmarke

Mit Abstand betrachtet scheint der Vatikan zur Zeit Vieles richtig zu machen. 350000 Dauerteilnehmer hätten sich bereits zum Weltjugendtag angemeldet, ist zu hören, darunter knapp 16000 Teilnehmer aus Deutschland. Mit einer Million Besuchern wird zum Abschlussgottesdienst gerechnet. Ende Mai versammeln sich in Düsseldorf allein 30000 Anhänger des Neokatechumenats, um sich auf das Ereignis in Madrid vorzubereiten. In einer medial gesehen etwas milderen, die Wucht des Vorgängers vermeidenden Art, ideologisch betrachtet aber konsequenter und deutlicher als Johannes Paul wird der deutsche Papst offensichtlich nicht ohne Erfolg als das Gesicht seiner Kirche in den Mittelpunkt gerückt. Benedikt XVI. ist die aktuelle Wort-Bildmarke der katholischen Kirche.
Anders als noch sein Vorgänger spielt zwar er eher nicht auf der Klaviatur der Weltpolitik oder des Weltgewissens, ist kein Realsymbol im Kampf gegen ein politisches Unterdrückungssystem, das Johannes Paul II. noch mit seiner eigenen Biographie bezeugte. Benedikt ist "der Theologe" auf dem Stuhl Petri, der "brilliante Wissenschaftler und Denker". Besonders durch dieses Bild gelingt es ihm zunehmend, selbstverständlich als der wahrgenommen zu werden, der exklusiv an Christi statt spricht und die kirchliche Lehre auslegt und bewahrt. So sind seine beiden Jesus-Bücher, obwohl der Papst betont, sie nicht als Papst geschrieben zu haben, inzwischen so eine Art benediktinischer Summa Theologica geworden mit dem Ductus einer gewissen Entschiedenheit, um nicht Verbindlichkeit zu sagen. Ob dies nun von ihm selbst intendiert worden ist oder ob dies durch die inzwischen ein paar Millionen Leser an die Werke herangetragen worden sind bzw. durch Begleitwerke wie die von Peter Seewald ist für das Phänomen einerlei. Hat der Stellvertretergedanke je den Sinn gehabt, dass der Ausdruck des Katholischen, sein Copyright in einer Person real und medial zusammenläuft, vor allem die Ebene der ideologischen Absicherung, so ist das wohl noch nie so verdichtet passiert wie im Augenblick unter dem Pontifikat des aktuellen Papstes. Für viele Katholiken, aber auch für viele, die von außen auf die Kirche blicken, ist der Papst immer noch die Kirche. Und wir sind immer noch Papst. 

All das könnte vatikanische PR-Strategen zufrieden machen. Doch all das wird zu einem Preis erkauft. Denn die problematische Milieuverengung der Kirche geht weiter - gerade auch bei Jugendlichen, genauso wie die Überalterung der Kirche und die zunehmende mangelnde intellektuell-theologische Durchdringung bei Verantwortungsträgern. Mag bei vielen Jugendlichen der deutsche Papst eher als sympathisches Symbol betrachtet werden, eine Art Urgroßvater, den man einfach gerne hat und den man hin und wieder besucht, so hat die geschickte WJTsierung allenthalben doch auch andere emazipatorisch-reflektierte, aber auch politische Aspekte der Pastoral verdrängt. Der Papst erscheint immer mehr als selbstverständliche, nicht hinterfragte authentische Interpretation des Katholizismus und wird Schrittchen für Schrittchen als solcher immer weiter inszeniert. Lange nicht war soviel Zentrale. Und mit der Instruktion "Universae Ecclesiae", die den Umgang mit dem außerordentlichen Ritus regelt, regiert der Papst durch die Glaubenskongregation offensichtlich zukünftig an den Bischöfen vorbei bis in die Dorfkirchen hinein. Im Grunde ein Satz Ohrfeigen für jeden Ortsordinarius und dessen Hirtengewalt. Dem durchschnittlichen WJT-Pilger wird das bei fiesta und siesta unter der spanischen Sonne im Zweifel egal sein. Recieve the power. Das mag auch okay sein. Dass die Bischöfe den Status als Generalvikare des Papstes schweigend akzeptieren, macht den Beobachter aber nachdenklich. Der Papst als authentische Interpretation des Katholizismus steht für eine ideologisch gefestigte eindeutige Kirche des kurzen Zügels, deren Außenwahrnehmung zwischen Barock und Popcorn changiert und mitunter auch beides problemlos miteinander verbindet. Doch diese Kirche wird woanders immer weniger verstanden. Das aber scheint Verantworliche nicht zu bekümmern. Im Gegenteil. Abgrenzung ist ein bisweilen aggressiver hermeneutischer Teil der Strategie geworden. Dabei ist eher fraglich, ob die Kirche klug handelt, wenn sie sich in der defensiven Pose einer Außenseiterin gefällt. Und nicht nur jungen Katholikinnen und Katholiken bewusst oder unbewusst spiegelt, gerade als eine Art Typus von Sonderlingen seien sie wichtig für die Welt.

"Daher wohl scheint sich auch das Interesse der Gläubigen an einer neuen innerkirchlichen Dialoginitiative, wie sie zum Beispiel für Deutschland angeregt worden ist, bisher sehr in Grenzen zu halten", analysiert Johannes Rösener. Die benediktinische Wort-Bildmarke enthält "Dialog" nicht. Anderes auch nicht. Die einen begrüßen das, andere interessiert dies längst nicht mehr: "Vielerorts sitzt die Resignation tief, was sich nicht immer in Kirchenaustritten, wohl aber sehr häufig in massiv zunehmender Distanz zum Glaubensleben äußert. Neun von zehn Getauften sind religiös kaum noch oder gar nicht mehr in den Pfarrgemeinden präsent - eine Kirchenspaltung neuen Typs, auf die es bisher keine überzeugende Antwort gibt", schreibt Rösener über die Situation in Deutschland. Heißt die Antwort womöglich "Selber schuld!"? Die Wort-Bildmarke ist doch - receive the power - klarer als klar.

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