Montag, 16. Mai 2011

Phrasenschwein

Der Regensburger Bischof Müller hat dem ehemaligen bayerischen Kultusminister und Inhaber des Romano-Guardini-Lehrstuhls an der Universität Münschen die Lesung aus seiner Autobiographie in kirchlichen Räumen verboten. Maier - so ist zu hören - streite in seinem Buch für ein Schwangerenberatungssystem, dem in den letzten beiden Jahrzehnten laut Statistischem Bundesamt fast jedes fünfte Kind eines Jahrganges zum Opfer fiel. Gemeint ist Maiers Engagement für Donum Vitae. Dagegen stehe die Kirche "eindeutig" für die Option menschlichen Lebens – auch wenn es ungeboren, alt, krank oder ungewollt sei. Diese christliche Option für das Leben und ein System, das dem gewaltsamen Tod Ungeborener die Türen öffnet, seien nicht miteinander vereinbar.
Man könnte zunächst versucht sein, die Frage nach der Eindeutigkeit zu hinterfragen. Es sind nicht die Schilderungen notorischer Kirchenfeinde, die davon berichten, wie beispielsweise in Kenia Ordensschwestern medizinische Hilfspakete für HIV-Infizierte aufschneiden, Wasseraufbereitungstabletten und Medikamente unberührt lassen, Kondome aber herausnehmen. "Dabei ist das größte Problem, dass die Frauen Männern vollkommen ausgeliefert sind", erzählte mir jemand, der es gesehen hat. "Eindeutig" für die Option menschlichen Lebens? Hehre Worte, Mann. Gäbe es ein katholisches Phrasenschwein, dann wären hier aber mal fünf Euro fällig. Mindestens. Wie sehr wünschte man sich diese kirchliche Eindeutigkeit - in Fragen des Umgangs mit der Schöpfung, der Massentierhaltung, der Arbeitswelt, des Umgangs mit dem Kapital. Andererseits: Wie mag es am Ende der Zeiten zugehen, wenn Schafe und Böcke sortiert werden, wie es die Bibel erzählt? Denn diese Geschichte erzählt nicht von grundsätzlichen Optionen menschlichen Lebens. Sondern sie beschreibt, worauf es ankommt, wenn es hart auf hart zugeht. Wenn es drauf ankommt. Da gibt es Menschen, die hungern und Durst haben, die einsam oder im Gefängnis sind. Die Antworten auf ihre Nöte bestehen nicht aus grundsätzlichen Erklärungen. Entscheidend für den Ausgang der Geschichte ist die entschiedene konkrete Tat.

Die andere Frage, die sich in diesen Tagen stellt, lautet: Wer soll eigentlich noch Platz in der katholischen Kirche haben, wenn sie schon einem Konservativen wie Hans Maier die Tür vor der Nase zuschlägt? Wenn bei traditionalistischen Katholiken und ihrem Begehren nach der tridentinischen Liturgie auf einmal großzügige Angebot-und-Nachfrageprinzipien gelten? Es wird eng in der Kirche. Aber nicht, weil es so voll wäre. Sondern weil die Verantwortlichen in der Kirche gerade die Räume immer weiter verkleinern, Wände verschieben und Decken abhängen. Verstörend und atemberaubend ist die Selbstgerechtigkeit des Vorgehens. Nicht nur eine afrikanische Frau hat in ihrer Not keinen Platz mehr in der Kirche. Sondern inzwischen sogar auch all die vielen, die Hans oder Johanna Maier gerufen werden und von denen jede und jeder katholische Mensch eine Menge kennt. Da ist die Möglichkeit, dass Priester zukünftig nach dem alten Ritus alleine die Messe feiern dürfen eigentlich nur konsequent.

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