Mittwoch, 7. Dezember 2011

Opa Hoppenstedt im Mediamarkt

Foto: wikipedia.de
Nach dem Kampf zwischen Weihnachtsmann und Nikolaus
verlagern sich die weihnachtlichen Auseinandersetzungen nun unter den Weihnachtsbaum bzw. in die Weihnachtskrippe selbst. Ein großer Elektronikkonzern provoziert christliche Gemüter mit einem  Slogan, mit dem er seine Ware unters geschenkbereite Volk bringen will. "Weihnachten wird unter dem Baum entschieden", heißt es da. Auf der Internetseite der Firma sind Videos eingestellt. Sie zeigen leicht verwackelte und unscharfe kurze Filme von Weihnachtsbescherungen: Bei der freiwilligen Feuerwehr, in einer Familie mit Kindern, bei einem Liebespaar. Sie haben den Charme von selbstgedrehten Handyfilmchen, dadurch sollen sie wohl authentisch wirken. Dabei sind sie Paradebeispiele für gut gemachten Humor. Und ich muss zugeben: Sie gefallen mir alle. Besonders das Video mit dem bebrillten Jugen, der sich über eine playstation freut. Aber auch der Heavy-Metal-Freund, der sich zwei riesige Boxen in die Küche stellt - sehr komisch.

Und ich bin mir sicher: Loriot hätte seine Freude daran.
Wer muss hier nicht an den Opa-Hoppenstedt-Wahnsinn denken, wo unterm Tannenbaum ein Kinderatomkraftwerk in die Luft fliegt (welch groteske Vision übrigens) - und der mit jener atemberaubenden Szene endet, in der die Hoppenstedts nach der Bescherung in einer Geschenkpapierlawine versinken, die ihre Nachbarn bereits im gemeinsamen Treppenhaus verursacht haben. Pech gehabt, da war man zu langsam beim Auspacken. Oder: Wem fällt hier nicht Familie Heinz Becker ein, bei der jedes Jahr die verschollene Christbaumspitze einen Ehekrach heraufbeschwört. All diese Ironie findet man auch in diesen Spots: Überflüssigen Elektrokram, Geschenkpapierfluten, Geschrei, hysterische verzogene Kinder, durchgedrehte Typen. Und, ja doch: Weihnachten wird unterm Baum entschieden. Auch ein iphon oder eine playstation verhindern nicht, dass das Fest im Irrsinn endet. Man kommt um eine Haltung nicht herum. Das ist die Aussage der Filme.

Nun haben Christen aber nach dem Weihnachtsmannkrieg lieber einen "shitstorm" entfacht. Der evangelische Ingolstädter Dekan Thomas Schwarz sieht durch die Kampagne von Media Markt die Menschlichkeit verletzt. "Wenn Weihnachten nur durch Geschenke unterm Baum entschieden wird, dann wird das menschliche Miteinander auf einen bloßen Warenaustausch reduziert." Mit dem Werbeslogan würden die Menschen verletzt, die etwa aus finanziellen Gründen keine Geschenke machen können, befand der Ingolstädter Theologe. Man darf hoffen, dass Schwarz die Fallhöhe spürt, mit der er hantiert. Und nicht ernsthaft glaubt, dass Menschen, die täglich ihre Euros in der Hand umdrehen müssen tatsächlich durch eine gut gemachte Kampagne verletzt werden. Vermutlich haben sie andere Sorgen. Der württembergische Rundfunkpfarrer Andreas Koch jedenfalls freut sich über jeden, der bereits Konsequenzen gezogen hat oder sie noch zieht: "Ich selber gehöre dazu. Weil ich ebenfalls nicht blöd bin und mich deshalb auch nicht für blöd verkaufen lasse." Um hinzuzufügen: "Meine weihnachtlichen Euros wandern jedenfalls in andere Kassen." Da darf man von Herzen hoffen, dass er fündig wird.

Auch an derlei Aussagen hätte Loriot wohl seinen Spaß. Liegt die Aufgeregtheit mancher, die nun empörte Protestmails schreiben, nicht vielleicht daran, dass ihnen auch in der Kampagne der Spiegel vorgehalten wird? Dass man sich ertappt fühlt - wie als man weiland Dicki und Opa Hoppenstedt auch ein bisschen beklommen zuschaute und an das eigene Familienfest dachte - und wie es wohl werden würde? Und weil man insgeheim zugeben muss, dass dieser Firma eine unverschämt gute Kampagne gelungen ist, weil sie ironisch ist, ja sogar selbstironisch? Weil eine Firma die Frage stellt, die eigentlich die Frage der Kirche sein müsste: Was ist Weihnachten für dich?

Stattdessen fliegen moralinsaure Antworten in einem shitstorm. Ach, wie sehr wünscht man sich, die Kirche wäre auf Seiten vor Loriot und Heinz Becker, von Bedächtigkeit und Selbstironie. Ach, könnte man doch mit gleicher Münze antworten. Sicher ist herauszufinden, wer diese Kampagne gemacht hat. Man könnte etwas lernen.

1 Kommentar:

  1. Stimmt schon :)
    Man kann - ja sollte es sicher aufgreifen. Aber man muss es nicht verteufeln.

    AntwortenLöschen