Sonntag, 2. Oktober 2011

Rechter Patchworkgehorsam

Foto: Helene Souza
Am vergangenen Sonntag rief Papst Benedikt bei seiner Predigt auf dem Freiburger Flughafen die katholische Kirche in Deutschland zur Einheit und zur Treue mit dem Papst auf: "Die Kirche in Deutschland wird die großen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft bestehen und Sauerteig in der Gesellschaft bleiben, wenn Priester, Gottgeweihte und christgläubige Laien in Treue zur jeweils spezifischen Berufung in Einheit zusammenarbeiten; (...) wenn die Getauften und Gefirmten die Fackel des unverfälschten Glaubens in Einheit mit dem Bischof hochhalten und ihr reiches Wissen und Können davon erleuchten lassen. Die Kirche in Deutschland wird für die weltweite katholische Gemeinschaft weiterhin ein Segen sein, wenn sie treu mit den Nachfolgern des heiligen Petrus und der Apostel verbunden bleibt (...)." Doch Einheit und Treue gegenüber dem Lehramt erweist sich in den Gesprächen mit der Piusbruderschaft als ein dehnbarer Begriff. So scheint für die mehrheit der Piusbruderschaft eine Einigung mit dem Vatikan tatsächlich im Bereich des Möglichen, wenn man verschiedene Äußerungen der letzten Tage betrachtet.
"Bisher ist uns immer gesagt worden, wir müssten das Zweite Vatikanum en bloc annehmen, ganz und gar", erklärte Franz Schmidtberger, Chef der Piusbruderschaft in Deutschland heute morgen gegenüber dem WDR. Und in der Tat hieß es in einem Papier, welches der Vatikan der Bruderschaft noch im Februar 2009 vorlegte: „Für eine zukünftige Anerkennung der Bruderschaft Sankt Pius X. ist eine volle Anerkennung des Zweiten Vatikanums und des Lehramts der Päpste Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul I., Johannes Paul II. und von Benedikt XVI. eine unverzichtbare Bedingung.“ Zwei Jahre theologischer Diskussion sei nun ins Land gegangen, sagt Schmidtberger dagegen mit dem Blick auf die vom Vatikan den Piusbrüdern am 14. September vorgelegte Präambel: "Und jetzt heißt es doch (...), dass berechtigte Studien berechtigte Diskussionen, Studien und theologische Erklärungen mancher Ausdrücke möglich sind", erklärt Schmidtberger nicht ohne Genugtuung.

Dieses Einfallstor haben schon andere entdeckt. Die Piusbruderschaft veröffentlichte am Freitag Auszüge eines Briefes einiger nicht näher benannter "intalienischer Intellektueller" an den Papst. Darin bitten sie Benedikt, "eine vertiefte Untersuchung des ökumenischen Pastoralkonzils Vatikanum II einzuleiten." Sie beziehen sich auf eine Bitte zweier italienischer Theologen, darunter immerhin ein Professor der päpstlichen Lateranuniversität, aus dem Jahr 2009: "Mgr. Brunero Gherardini, Priester der Diözese Prato und Kanoniker der Basilika St. Peter, Ordinarius der Ekklesiologie an der Päpstlichen Universität des Lateran und Dekan der italienischen Theologie, hat im Jahre 2009 eine respektvolle Bittschrift an Eure Heiligkeit gerichtet mit dem Ziel, eine Erlaubnis zum Einleiten eines ausgewogenen und öffentlichen kritischen Diskurses über die Texte des Zweiten Vatikanums zu bekommen. Dieser Bitte hat sich im Jahre 2010 Professor Roberto de Mattei, Dekan der Kirchengeschichte und der Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom und Vizepräsident des Nationalen Forschungsrates angeschlossen." Tatsächlich beziehen sich die Autoren ausdrücklich auf die von Benedikt in einer Ansprache an die Kurie von 2005, wo er sich von anderen Lesarten des Konzils abgrenzte, die in ihm eher einen Bruch der Lehrtradition sehen.

Die Piusbruderschaft wird um derlei Versuche wissen. Sie wähnt sich bei der Relativierung des Konzils am Ziel. "Und das ist das Neue an dieser Haltung Roms gegenüber der Piusbruderschaft - oder sagen wir es so: Innerhalb der katholischen Kirche", so Schmidtberger heute.

Mit Letzterem hat Schmidtberger wohl nicht recht. Patchworkgehorsam gegenüber dem Lehramt wird nur dem konservativen Teil der katholischen Kirche gewährt werden. Und wird es ja bereits. Er darf das ordentliche Lehramt amtlich bestätigt nicht nur kritisieren, er darf ihm widersprechen. Schmidtberger sieht sich mit dem Blick auf die Rede Benedikts im Freiburger Konzerthaus betsätigt, spricht gar von einem Sieg. Den Auftrag des Papstes, an einer Erneuerung der Kirche aus dem Glauben heraus zu arbeiten hat die Piusbruderschaft seiner Ansicht nach jahrelang bereits befolgt: "Wir haben immer darauf bestanden, dass bestimmte Punkte des Konzils mindestens zu diskutieren sind - auch in Frage zu stellen sind, weil sie eben Neuerungen gegenüber der bisherigen Lehre darstellen." Bleibt die Frage, ob Schmidtbergers und Fellays Position innerhalb der Piusbruderschaft tatsächlich mehrheitsfähig ist. Schmidtberger jedenfalls klingt mehr als zuversichtlich. "Ich glaube, dass wir uns einen ganzen Schritt am 14. September näher gekommen sind."

2 Kommentare:

  1. Es ist ein trauriges Kapitel der jüngeren Kirchengeschichte, dass man den Eindruck bekommt, das Rom sich von potentiell schismatischen Gruppen erpressen lässt. Kein Wunder, dass die österreichische Pfarrerinitiative einen ähnlichen Konfrontationskurs fährt. Das sollte wirklich nicht Schule machen.

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  2. Die Piusbruderschaft verhält sich weiter schismatisch. Es ist unglaublich, wie sehr sich die römische Kirchenleitung dieser rechtsextremen Sekte (im kassischen Sinne) anbiedert. Ich kann nur zustimmen, das darf nicht Schule machen - hier gefährdet die Kirche ihre Glaubwürdigkeit gegenüber den eigenen Mitgleidern!

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