Sonntag, 19. Juli 2020

Alle Girls, Mamas und Mädchen

Screenshot: Peter Otten
Carolin Kebekus hat ein Musikvideo gemacht, das von erstaunlichem theologischen Interesse durchzogen ist. Darin lenkt sie die Aufmerksamkeit auf eine Kirche, in der Liturgie und Diakonie nicht ohne einander denkbar sind. Das macht die Diskriminierung von Frauen allerdings noch absurder. 

Von Peter Otten

Vor einigen Tagen hat die Comedian Carolin Kebekus in ihrer Show ein Musikvideo veröffentlicht. Das Stück mit dem Titel "Im Namen der Mutter" ist bislang im Internet etwa 400000 mal angeklickt worden. Darin thematisiert Kebekus die anhaltende Diskriminierung der Frauen in der katholischen Kirche. "Alle Ladies in Gottes Gemeinden: Es ist Zeit unsre Stimmen zu vereinen. Ave Maria. Alle Girls, Mamas und Mädchen, werft die Hände hoch für die erste Päpstin. Ave Maria." Klare Ansage.

Man kann das Stück mit Martin Lohmann als "das selbstverliebte Erheischen billigen Applauses auf Kosten von Qualität und Anstand" bezeichnen, als "übertünchte Niveaulosigkeit vor feixender Kulisse der Anstandslosigkeit", um dann mit ihm zu dem Fazit zu kommen: "Hauptsache, man bedient die eigenen Komplexe und Lebensbrüche auf Kosten anderer. Das alles verkauft man dann mediengerecht als Komik."


Klar, das kann man machen. Muss man aber nicht. Man kann sich nämlich auch die Bildgestaltung des Videos aufmerksam anschauen - und staunen. Wer auch immer die Skizze zu dem Film geschrieben hat - er oder sie ist jedenfalls kein (sakramenten)theologischer Totallaie. Besonders beeindruckend sind wie ich finde die kurzen Teile des Films, in denen ein "split screen", ein geteilter Bildschirm zu sehen ist.

In Minute 0:36 blickt ein Priester auf der linken Seite in die Kamera und spendet mit einer Segensgeste den Segen, während auf der rechten Seite mit exakt synchronen Bewegungen eine Frau einen Kuchen teilt. In Minute 0:46 ist auf der linken Seite eine Hand zu sehen, die mit einem Waschlappen am Hals eines alten Mannes entlang fährt, während auf der rechten Seite ein Priester mit einem weißen Tuch eine goldene Hostienschale reinigt, dabei befindet sich die Hostienschale in exakt demselben Winkel wie der Kopf des alten Mannes. Der Szene folgt unmittelbar ein Bild, in dem eine Frau demselben alten Mann aus der Szene vorher den Pyjamakragen richtet, während auf der rechten Seite der Priester mit dem zusammengefalteten weißen Tuch die Schale nach der Reinigung "herrichtet". In Minute 0:53 gießt ein Priester mit der Hand über den Kopf eines Täuflings. Der Sinn, ein Sinn der Taufe wird geradezu gedeutet mit der parallelen Szene auf der rechten Seite: Eine Frau, die einem ins Spiel versunkenem Kind über den Kopf streichelt. In Minute 1:07 bricht ein Priester mit erhobenen Händen eine Hostie, während auf der rechten Seite eine Frau - mit angestrengter Stirn - eine Scheibe Brot zerbricht, die sie in der nächsten Szene einem Mädchen in die zur Schale gefügten Hände legt, während auf der linken Seite die zerbrochene Hostie in exakt gleicher Inszenierung in die Hände eines Klerikers - jedenfalls eines Mannes in rotem Talar und weißem Rochett -  gelegt wird. In der daran anschließenden Szene beißt das Mädchen lächelnd und mit Genuss in die Scheibe Brot, während der Kleriker mit geschlossenen Augen kommuniziert. 

Das sind allesamt Szenen, die im Bildausschnitt, in der Abfolge von Bewegungen oder auch vom Lichteinfall fast exakt synchronisiert sind. Sicher kann man die Szenen mit einigem Recht im Sinne der Gesamtaussage des Stücks einerseits als Szenen der Ab- und Ausgrenzung deuten: Auf der einen Seite der liturgische Amtsvollzug geweihter Männer - auf der anderen Seite die soziale Arbeit im Alltag - durch die Frauen. Die Synchronität der Szenen weist allerdingt auf einen wichtigen theologischen Sachverhalt hin: dass der sakral-liturgische Vollzug des Gottesdienstes niemals ohne den "Gottesdienst des Alltags" zu denken ist - und für einen Christen, eine Christin auch umgekehrt. "Die Gnade muss man tun, tun, tun!" sagte tatsächlich schon Karl-Heinz Menke in seiner Vorlesung an der Uni Bonn. Liturgie und Diakonie sind nicht ohne einander zu denken. Dass dieser TheologInnen vermutlich geläufige selbstverständlich erscheindende Gedanke allerdings in einem Stück säkularer Popkultur wie ich finde derart sorgfältig, mit Bedacht und Ernsthaftigkeit inszeniert wird ist jedenfalls anders als Martin Lohmann und andere KritikerInnen meinen sehr berührend. Wohl wird die Diskriminierung der Frauen, die in den gezeigten Miniaturen im Film ja genau die sakramentale Wirklichkeit der absichtslosen Gnade (Liebe) leben durch diese Parallelmontage der Szenen noch unplausibler und absurder.

Noch ein paar andere fein aufgeladene religiös-biblische Szenen sind in dem Film zu entdecken (die aneinander geschnittenen Gebetsgesten-Szenen etwa, die Geste der Erschöpfung der Altenpflegerin am Bett des alten Mannes). Bemerkenswert sind in jedem Fall die Szenen der drei Protagonistinnen (die Ehrenamtskoordinatorin, die Frau, die in der KiTa arbeitet und die Altenpflegerin), in denen sie ihren Kopf aufrichten (ab Minute 2:07). Sie erinnern mich jedenfalls an die Endzeitrede Jesu in Lk 21, 27f.: "Dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe." Wer wird bestreiten, dass die Frauen in dem, was sie absichtslos tun Menschen erlösen, die Erlösung bedürfen? Kebekus drückt das in ihrer Anmoderation weniger gedrechselt so aus: "Euer Laden geht den Bach runter, und da stehen schlaue, hochintelligente, studierte Frauen voller Liebe für ihre Kirche und wollen helfen." Über sich selbst sagt sie in an gleicher Stelle, sie sei zwar aus der Kirche ausgetreten, fühle sich aber weiterhin als katholisch getaufte Christin.

Erstaunlich, wie viel Sympathie und theologische Kenntnisse das knapp vierminütige Video vor allem auf der Ebene der Bildsprache eben auch enthält. Von einer "geistlosen Rücksichtslosigkeit" (Lohmann) sehe ich da nichts. "Kebekus meint wohl, die „Kirche gehe den Bach runter“, weil Frauen keine Priesterinnen werden können" meint er. Man könnte es auch anders formulieren: Wie wird die Kirche fruchtbar und erlösend wirken, wenn Menschen ungeachtet ihres Geschlechts - also auch alle Girls, Mamas und Mädchen - das Sakrament der absichtslosen Liebe in die Welt trügen. Es gibt noch Hoffnung, wenn eine "Ex-Katholikin" (Lohmann) und eine kundige Redaktion der katholischen Welt immer noch Hoffnung machen: Leute, es ist noch nicht zu spät.

9 Kommentare:

  1. Wunderbare Analyse, danke dafür. Ich war sehr berührt vom Bekenntnis und dem christlichen Zeugnis, das Carolin Kebekus in ihrem Statement abgelegt hat. Sie haben das in Ihrer Interpretation noch einmal verdeutlicht und erläutert.

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  3. Wenn man die Mamas einfach Mamas sein lassen würde, würde die Liebe viel mehr Gestalt, nämlich Kind, aber genau das betrachten ja die Leute die für die "Rechte der Frauen" meinen kämpfen zu müssen, als die Grundursache der Diskriminierung der Frau! Und genau hier wird es meines Erachtens immer schief!
    Im übrigen versteh ich ernsthaft nicht, warum man den Frauen meint immer noch mehr Arbeit aufhalsen zu müssen, als sie sowieso schon machen!
    Lasst doch die Männer auch mal was schaffen, liebe Frauen und wenn ihr euch in der Kirche nicht ausgelastet fühlt, so helft der Nachbarin, kümmert euch um die alten eigenen Eltern, oder das Enkelkind.
    Bisserl Schönheit schaffen wäre auch nicht schlecht.
    Ich als Frau kann das alles ernsthaft nicht mehr hören!

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    1. Ich schreibe mal, was ich von Ihrem Kommentar verstanden habe: Mamas sollen keine Mamas mehr, sondern werden von Leuten dazu gedrängt für ihre Rechte zu kämpfen - das ist die Grundursache für die Diskriminierung der Frau. Hm. Dem entgegne ich: Laut Grundgesetz sind alle Menschen gleich. Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes ist nicht vorgesehen. Ein Mensch darf eine Mutter sein und eine Firma gründen, Politikerin werden oder Hunde züchten. Oder auch nur Mutter oder Vater sein. Oder nur Hunde züchten. Sich umm Nachbarn und Enkelkinder kümmern. Oder alles unter einen Hut bringen. Das bedeutet freiheitlicher Rechtsstaat. Was ist daran bedrohlich oder schlimm? Doch wohl nichts. Und warum sollte diese Freiheit nicht auch im Rahmen der Kirche gelten? Ich verstehe es einfach nicht. Niemand muss das für sich selbst wollen oder gut finden - aber warum kann man die Möglichkeit nicht schaffen?

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    2. Es gibt zu all dem einen ganz kurzen Satz von C.S Lewis, der da lautet:
      Sagt die Lady zu ihrem Bruder: "Wenn auf einem Ball mehr geredet und weniger getanzt würde, wäre das doch viel vernünftiger!" "Ja" sagt der Bruder, "aber es wäre weniger ein Ball!"
      Im übrigen gehen Sie von einer Situation aus, die man als vollendeter Kommunismus definieren könne, wo nämlich die Leute machen können was sie wollen, weil die Produktivmittel so entfaltet sind, dass kein Mensch mehr arbeiten gehen muss!
      Es geht im realen Leben nicht um das Dürfen sondern um das Können und nun ja meines Erachtens können Frauen nicht Priester sein, man sieht das doch regelrecht, genauso wenig wie Männer Mutter sein können.

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    3. Ich hab dazu ein kurzes passendes Zitat! Es lautet:

      "Wie viele Erdbeereise muss der Mensch noch essen, bevor er endlich einmal sagt: ich bin dafür, die böse Tat des Beinestellens zu unterlassen?"

      Denken Sie mal drüber nach. Im Übrigen geht es im realen Leben nicht um das Dürfen, sondern um das Können. Und den Superbowl.

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  4. Vielen Dank für diesen Text.
    Ich habe mich sehr über Carolin Kebekus' Beitrag gefreut, weil sie das Thema noch mal an Leute bringt, die sich vielleicht nicht aktiv damit beschäftigen, die einfach beim zappen hängen bleiben oder auch gerne Carolin Kebekus zuhören.
    Ich als Frau fühle mich durchaus diskriminiert dadurch, dass mir abgesprochen wird, Priesterin sein zu können. Es ist doch immer noch ein "unter dem Mann stehen", was ich kaum ertragen kann, eine Degradierung und Reduzierung. Es gibt einfach keine stichhaltige Begründung (mehr? Gab es sie jemals?) für diesen Ausschluss. Den Menschen so stark über das Geschlecht zu definieren und daran die Befähigung zu messen, ein Amt auszuüben erscheint mir einfach immer willkürlicher. Menschen haben unterschiedliche Talente - unabhängig von ihrem Geschlecht - und darum sollte es doch gehen.
    Viele Grüße,
    Hannah

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    1. Warum wollen Sie denn Priester werden?
      Können Sie eh nicht, aller höchstens Priesterin und da gibt es in der großen, weiten Welt der Regionen ja doch genügend Möglichkeiten, nette esoterische Gruppierung z.B.
      Ich meine,jetzt im Ernst dass das katholische Priestertum eine Art Versuch ist die grundlegende Unfähigkeit des Mannes Kinder zu kriegen und zu stillen, auszugleichen, damit die armen Männer auch etwas haben, was mit dem Leben zu tun hat!
      Das Dilemma unserer Tage ist doch dass die Frauen selber ihre ureigenen Fähigkeiten absolut verachten und sich deshalb über das definieren was sie nicht sind und da immer und immer mehr frustriert sind.
      Ich als Frau finde es wie gesagt, nett,dass die Männer auch mal was schaffen müssen und wenn es nur noch in der Kirche am Altar ist.

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  5. Liebe Hannah,
    ich kann Sie so gut verstehen! Vor 55 Jahren wäre ich so gerne Messdienerin geworden, weil mir der Gottesdienst so gut gefiel, weil ich dort so viel Ruhe und Trost und Bestärkung erfahren konnte. Vor 45 Jahren wäre ich so gerne Priesterin geworden - eine Gute, wie ich glaube, weil ich mich in andere Menschen hineinversetze kann, Empathie fühle, wie man so sagt und weil ich mich mit Engagement um andere Menschen sorgte - sozusagen "Seelsorgerin" war. Beides ging nicht. Ich bin Sozialarbeiterin geworden. Eine gute, glaube ich. Und Mutter, wohl auch ganz gut. In der Gemeinde habe ich viele Aufgaben übernommen, ebenfalls erfolgreich. Jetzt habe ich den Kaffee auf. sollen sie ihrZeug doch alleine machen. Ich stehe nicht mehr zur Verfügung.

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