Screenshot: Peter Otten |
Von Peter Otten
"Eines Tages hingen im Viertel Plakate. Der Karnevalsverein feierte Jubiläum. So stand auf den Plakaten eben auch ganz dick: "11 Uhr Festgottesdienst in St. Theodor." Niemand war auf die Idee gekommen, etwa den Pfarrer oder den Pfarrgemeinderat zu fragen oder über die Absicht zu informieren, ihr Fest mit einem Gottesdienst zu beginnen. Und was gewöhnlich mitunter zu viel Zank und Streit führen kann, löste sich hier in einem wunderbaren Ereignis auf. Denn natürlich erfüllte Marschmusik den Vorplatz der Kirche, als die Mitglieder des Karnevalsvereins in einer munteren Prozession vom Vereinslokal zur Kirche zogen (...). Natürlich sang der Kirchenchor in diesem Gottesdienst, auf den Bänken lagen bunte Tröten, durch die die Feiernden zwischendurch fröhlich bliesen. Natürlich gab es Ehrenplätze für den Präsidenten und Blumen für die Gattin. Natürlich würdigte die Katechese den Beitrag des Karnevals für die Kultur und den Frieden in einem Viertel. Ein Gottesdienst ist öffentlich und für alle da. Mit ihrem Plakat hatten die Karnevalisten gezeigt, dass sie verstanden haben: Der Gottesdienst ist auch unser Gottesdienst. Und unsere Sache hat dort eine Platz. Ganz selbstverständlich. Ohne Anmeldung." (aus Franz Meurer, Peter Otten; Wenn nicht hier, wo sonst? Kirche gründlich anders, Gütersloh 2010, S. 50).
Dieses Erlebnis vor vielen Jahren in Köln-Vingst war für mich als relativ junger Seelsorger ein Aha-Erlebnis: Der Zutritt zum Gottesdienst wird niemals gewährt. Sondern als Teil der Kultur ist der Kultus immer öffentlich - was auch bedeutet, dass nichts im Geheimen passiert. Jeder hat jederzeit Zutritt. Und die Menschen in der Kirche können sich frei zum Geschehen verhalten und positionieren. Sie können von Ferne beobachten oder näher herantreten. Distanziert bleiben oder alle Riten und Gebete öffentlich mitvollziehen. Sie können kommen und auch wieder gehen. Ich habe das in meiner Arbeit, aber auch in meiner persönlichen Frömmigkeit immer als ein wichtiges Kulturgut und sogar als einen wichtigen Vollzug von Freiheit empfunden.
Seit letztem Wochendene feiern wir Gottesdienste, die nicht in diesem Sinn öffentlich sind, der doch auch im Sinne der Religionsfreiheit eine Errungenschaft darstellt. Schranken gibt es viele: Es gibt Anmeldesystem und Eintrittskarten. Es gibt Beschränkungen in der Teilnehmendenzahl, Abstandsgebote und den faktischen Ausschluss von Menschen, die einer "Risikogruppe" angehören. Realistisch bedeutet das Messfeiern ohne Alte und Kranke. Ihnen soll im Zweifelsfall der Zutritt verwehrt werden.
Auch die Schranken zwischen dem Laien- und Klerikerstand und ihre voneinander geschiedenen Rollen sind wieder sichtbar. Die ohnehin reale Ständekirche bekommt plötzlich wieder Kontur. Der Kleriker ist Heilsträger, das Volk wohnt dem Messopfer bei. Ministrantinnen und Ministranten sind nicht vorgesehen. Gemeinsamer Gesang ist nicht möglich. Gestern titelte der PEK im Erzbistum Köln: "Erzbistum nutzt Online-Ticketsysteme für sichere Messfeiern". In der Agneskirche brachten Menschen ihre im Internet generierten personalisierten Eintrittskarten mit.
Was signalisiert das? Öffentlichkeit scheint für die Feierkultur in der Liturgie jedenfalls im Moment kein relevanter Faktor (mehr) zu sein. Safety first. Hier verkehrt, wer verzehrt. Ist Religion also doch Privatsache? Welche Folgen dies für das Feiern der Liturgie nach Corona haben wird bleibt abzuwarten, wenn Exklusivität und mangelhafte tätige Teilhabe jedenfalls nicht in der Weise als Problem angesehen werden, dass diese Art zu Feiern grundsätzlich in Frage stünde.
Im Gottesdienst gilt das "sowohl als auch": Gefeiert wird ein Geheimnis, das gerade deswegen ein erlösendes Geheimnis ist, weil es nicht hermetisch und privat, sondern öffentlich ist. "Das ist der Tag, den Gott gemacht, der Freud in alle Welt gebracht. Es freut sich, was sich freuen kann, denn Wunder hat der Herr getan." Derzeit feiern wir das Wunder exklusiv. Dass dies kein größeres Problem darzustellen scheint ist jedenfalls kein Grund zur Freude. Gerade haben mir Erstkommunionkinder geschrieben. Sie machen sich Gedanken darüber, wie sie ihre Erstkommunion feiern wollen. "Wenn wir nicht zusammen feiern können verzichten wir lieber, bis das wieder geht." Eine Feier ohne die anderen ist für viele von ihnen nicht vorstellbar. Wir Großen könnten uns daran ein Beispiel nehmen.
Wer eine Messe exklusiv feiert, kann eigentlich nicht verstanden haben, was da gefeiert wird.
AntwortenLöschenDie Gottesdienste sollten anders ablaufen. Die Quäker machen es besser. Zudem muss man offen sein für Neuoffenbarungen (Beispiel Jakob Lorber). Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).
AntwortenLöschenEs wird durchaus als Problem wahrgenommen: Menschen, die sonst regelmäßig zum Gottesdienst gehen, bleiben einfach fern. Es fehlt nur eine Möglichkeit, das öffentlich kundzutun, warum man fehlt. Und damit verschwinden einfach noch mehr in der anonymen Masse der Enttäuschten und Frustrierten, und unsere Würdenträger ergehen sich weiter in Selbstmitleid über "die böse Welt da draußen, die die Leute vom Kirchgang abhält".
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