Zwei Karfreitagserfahrungen von
Norbert Bauer
Foto: Ulrike Schulte-Richtering |
Am Karfreitag sind meine Frau und ich quer durch die fast stille Stadt gelaufen, mit dem Ziel, eine offene Kirche aufzusuchen. An den Kar- und Ostertagen, so war zu lesen, wären die Kirchen in der Kölner Innenstadt erfreulicherweise zum Gebet geöffnet. Kirchen sind in diesen Tagen besonders: »Sie sind still und sprechen doch, sie sind stark und doch von angenehmer Stille und vorbildlichem Schweigen. Sie sind voller Angebote, zu denen man ebenfalls schweigen, vor denen man, wenn man will, beten, zu denen man hingehen oder kommentarlos weggehen kann.« (Rainer Bucher) Das wollten auch wir tun, am Karfreitag, um 15.00 Uhr. Kurz nach drei betraten wir eine Kirche. Die Türen waren geöffnet, ein verschlossenes Gittertor verhinderte uns jedoch den Zutritt zum Kirchenraum. Durch das Schmiedewerk schauten wir über die unbesetzten Bänke hinweg hinein in den leeren Altarraum. Aus dem Kirchenraum hörten wir Stimmen und nach wenigen Augenblicken realisierten wir: hier wird ein Gottesdienst gefeiert. Tatsächlich, ein Blick nach rechts vorne zeigte, am Marienaltar feierten wenige Menschen die Karfreitagsliturgie. Wir identifizierten einen Psalm, eine Lektorin trug die Lesung vor.
Kopfschüttelnd verließen wir den Ort. Auch ohne Hinweisschild war die Botschaft klar: »Zutritt verboten - Gottesdienst«. Wir hatte hier jetzt nichts zu suchen.
Die Maßgabe ist richtig: die Kirchen halten sich zu Recht an die aktuellen Versammlungsverbote. Auch die Kirchengemeinden sollen nicht zu ansteckenden Infektionsgemeinschaften werden.
Ein Blick auf die Webseiten der Kölner Kirchengemeinden zeigte mir später, dass das, was wir hier erlebt haben, exemplarisch ist für die aktuelle Praxis: Werden die Kirchen ansonsten pünktlich zum Gottesdienst aufgeschlossen, werden sie jetzt rechtzeitig davor zugeschlossen, damit hinter den Türen Eucharistie gefeiert werden kann. Der Begriff der Kerngemeinde bekommt eine neue Note. Neidisch wird in manchen Pfarreien schon darauf geachtet, wer zu den wenigen Auserwählten zählt, die als »Volk« mitfeiern dürfen. Die Gottesdienstgemeinde wird zur Splendid Isolation. Communio-Theologie als Gated Community: Die, die es sich leisten können, bleiben unter sich.
Wäre es für die aktuelle Phase nicht konsequent, temporär nach alternativen Möglichkeiten zu suchen, als den gewohnten Gottesdienst im exklusiven Kreis zu feiern? Wäre es nicht ein eindrückliches Zeichen, die Kirchen gerade zu den gewohnten Gottesdienstzeiten aufzuschließen und zu schauen was passiert? Die Menschen sind es in der Zwischenzeit ja gewohnt, sich an die Abstandsregeln im öffentlichen Raum zu bewegen.
Dass dies geht, haben wir ebenfalls am Karfreitag erfahren können. Auf dem Rückweg kamen wir an einer anderen Kirche vorbei. Die Türen waren geöffnet. In der Mitte des Raums lag auf einem roten Tuch ein Kreuz, links und rechts Kerzen, davor ein Weihrauchfass. Einige Menschen saßen schweigend mit ausreichend Abstand in den Bänken. Andere gingen durch den Raum. Ein Mann stimmte ein Lied an. Der Kirchenraum als Open Source. Wir stellten uns in die Mitte des Raums und schauten auf das Kreuz. Länger als sonst. Langsam verbeugten uns und verließen den Raum, der zu der Stunde, an dem Jesus für alle starb, für jede und jeden geöffnet war.
Große und teure Kirchengebäude sind überflüssig. Kleine kirchliche Gemeindezentren genügen. Das Kirchenchristentum muss charismatisch erneuert werden. Zudem muss der Theismus durch den Pantheismus ersetzt werden. Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).
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