Screenshot: Peter Otten |
Von Peter Otten
Kontra K: Hoffnung
Denn nur du stirbst zuletzt, schenkst uns den Glauben an uns selbst
Und dass Morgen alles besser wird als jetzt
Du nimmst uns die Schmerzen von heute
Du wunderschöne Hoffnung, oh du wunderschöne Hoffnung
Denn nur du stirbst zuletzt, schenkst uns den Glauben an uns selbst
Und dass Morgen alles besser wird als jetzt
Beschütz unsere Träume
Du wunderschöne Hoffnung, oh du wunderschöne Hoffnung, bitte geh nicht weg
Songwriter: Daniel Grossmann / Matthias Mania / Maximilian Diehn
Songtext von Hoffnung © Budde Music Publishing GmbH (der ganze Text: hier)
Ich bin auf dieses Lied aufmerksam geworden, als ich gebeten wurde, für einen verstorbenen Jugendlichen eine Trauerfeier vorzubereiten. Ich dachte darüber nach mit seinen Freundinnen und Freunden zusammen zu sitzen und Musik zu hören. Aber welche bloß? Die Tochter eines Freundes kam dann mit diesem Stück. Eine Entdeckung.
Das Lied hat Elemente eines Gebetes. Nicht ein Gott wird dabei direkt angesprochen, sondern die Hoffnung, ein Begriff, der durch die direkte Ansprache allerdings personalisiert wird. Derjenige, der singt ist jemand, dem die Welt nichts geschenkt hat. Einer, der die Welt als düsteren Ort erlebt. Er erzählt von der Lage, die „wieder eskaliert“, vom Ausweg, der verschwindet. Vom morgigen Tag, der besser werden möge. Es schneit, die Wirklichkeit ist kalt. Der, der da erzählt muss kämpfen, auch dann, wenn man den Kampf nicht gewinnt. Von Schmerz ist die Rede, vom Laufen über Scherben, von grauen Wolken, von hunderttausend Soldaten, vom Hungerast, also einem tiefen Hungergefühl. Von einem Fass, das überläuft. Vom Messer im Rücken, vom falschen Stolz. Der, der da singt sagt von sich, dass er kein Herz mehr hat, sondern da, wo das Herz war ist nunmehr ein Stein.
Aber die Tonalität des Stücks ist keine klagende. Sie ist traurig und düster, ja, aber nicht klagend und erst recht nicht trostlos. Denn der, der da spricht verwebt seinen Blick auf die Düsternis der Welt mit einem Ausblick. Als lupfe er den grauen Schleier beiseite und blicke in etwas, was ihn zuversichtlich, ja tatsächlich bisweilen auch euphorisch stimmt. Und durch dieses Verweben wird deutlich, was die Hoffnung ist, wie es der Refrain, zu dem das Stück auch musikalisch drängt eindrucksvoll auf den Punkt bringt. Für den, der singt ist die Hoffnung nicht etwas vom Erlebten Getrenntes: Wenn alles stirbt: Nur du stirbst zuletzt. Du schenkst uns den Glauben an uns selbst. Und den Glauben daran, dass morgen alles besser wird. Die Hoffnung nimmt die Schmerzen von heute. Sie schenkt den Glauben daran, dass morgen alles besser wird als jetzt.
Ich habe selten eine schönere treffendere Beschreibung dessen gelesen oder gehört als diese. Und dass morgen alles besser wird als jetzt. Du wunderschöne Hoffnung.
Wie kann er das singen? Warum ist für ihn Hoffnung? Und warum ist sie wunderschön?
Der Autor bemüht ja auch den Zettelkasten der Floskeln dessen, was man so sagt, wenn es einem Menschen schlecht geht. Aufmunterndes. Kalendersprüche. Verbalisiertes Schulterklopfen, um eigene Ohnmacht zu kaschieren: Die Hoffnung versetzt Berge. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Das Licht der Hoffnung. Ein Funken Hoffnung. Aber für ihn ist die Hoffnung mehr als ein Zettelkasten, den man bei stotternder Hilflosigkeit bemüht. Für ihn ist die Hoffnung etwas Existenzielles, etwas, dass in seinem Leben spürbar am Werk ist. Daher kann er die Hoffnung identifizieren, ja: eben wie im Gebet ansprechen. „Du bist die Kraft“, „das, was uns Halt gibt“; „weil du flüsterst: Gib nicht auf! Denn jeder wird stärker mit dir an der Seite“; „du sagst, es gibt eine Chance“; „du bist der Fallschirm“; „du frisst die Angst, schenkst mir Mut und neue Kraft“; „du lässt uns Schmerz vergessen“; „du bist der eine Soldat, der nicht kapituliert“; „bist meine einzige Medizin, die noch hilft“; „du verzeihst“. Für ihn ist die Hoffnung ein Gegenüber, konkret und unverstellt erfahrbar. Mehr noch, die Hoffnung ist aktiv. Die Hoffnung tut etwas: Sie gibt, sie sagt, sie frisst, sie lässt vergessen, sie hilft, sie verzeiht, sie nimmt, sie beschützt. Als wäre die Hoffnung ein fassbarer Teil der Schöpfung. Als wäre die Hoffnung jemand an seiner Seite. Als wäre die Hoffnung ein Du. Du, wunderschöne Hoffnung.
In der Adventszeit erinnert die Bibel an Johannes, den Täufer. Und er kommt ebenfalls daher wie einer, der Hoffnung machen kann, weil auch er von einer Hoffnung erzählt, die konkret ist. Johannes lebt in einer Welt, die kaputt ist. Römische Fremdherrschaft. Korrupter Stadthalter. Korrupte Priesterkaste. Aber auch er erzählt von der wunderschönen Hoffnung, und dass morgen alles besser wird als jetzt.
"Da erging in der Wüste das Wort Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias. Und er zog in die Gegend am Jordan und verkündete dort überall die Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden, wie im Buch der Reden des Propheten Jesaja geschrieben steht: Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt und jeder Berg und Hügel abgetragen werden. Was krumm ist, soll gerade, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden das Heil Gottes schauen."
Klar, das ist die Weihnachtshoffnung. Gottes Heil kommt in deine, in meine, in unsere korrupte, kaputte Welt. Trau dich und dreh dich um! Lass Gott in deinem Leben eine Rolle spielen.
Aber vielleicht kannst du daran nicht glauben. Das ist okay.
Als wir mit den Jugendlichen in der Kirche saßen und diesen Gesang hörten von der wunderschönen Hoffnung mit der Bitte: Geh nicht weg! Als wir das hörten, was der, der da singt der Hoffnung zutraut: Sie gibt, sie sagt, sie frisst, sie lässt vergessen, sie hilft, sie verzeiht, sie nimmt, sie beschützt. Da war es ganz ernst und ganz still, als der Bass wummerte und der, der sang seine Gedanken vorantrieb. Und das Lied schien auf einmal von jedem und jeder von denen, die dort saßen für jede und jeden von denen gesungen, die still dort saßen. Bitte geh nicht weg. Bitte bleib. Und ich dachte: Es fällt mir leichter in dem Wahnsinn zu hoffen, wenn du mit mir hoffst. Und vielleicht fällt es dir leichter zu hoffen, wenn ich mit dir hoffe. Es ist leichter, wenn ich dich sehe und spüre und merke, wie ein Lied, das zum Gebet wird und ein Rhythmus uns alle verbindet. Solange nur ein Funke von dir bleibt, stoppt uns keiner. Ein Anfang.
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