Ehenichtigkeitsprozess gekämpft. Der war wie ein Besuch in einem dunklen Schloss, dauerte fast vier Jahre und hätte fast alles ruiniert. Aber nur fast. Gedanken vor dem fünften Hochzeitstag.
Von Peter Otten
Ich habe meine Frau im Karneval kennen gelernt. Genauer gesagt am Karnevalssonntag. Die Veedelszööch windeten sich am Dom vorbei. Ich stand mit Freunden in einer Kneipe und schaute entgeistert dem FC zu, der gerade im Schlamm des Georg-Melches-Stadion in Essen mit 0:4 unterging. In der Pause hatte Ernst, der Wirt genug. Er drehte den Kommentarton weg und spielte wieder Karnevalsmusik. Eine weise Entscheidung. Denn in diesem Moment hakte sich eine Frau in einem schwarzen Frack mit einem bunt bemalten Gesicht bei mir unter. Schunkeln gegen den Frust. In Köln bekanntlich ein Allerheilmittel.
Acht Jahre später habe ich Elke geheiratet. An unserem Hochzeitstag fing ich um 10 Uhr morgens an zu weinen und heulte bis ungefähr halb sechs durch. Während der ganzen standesamtlichen Trauung in der Eigelsteintorburg vis á vis vom Lapidarium, unserer Kennenlernkneipe, liefen mir die Tränen. Und in der Kirche auch. Ich habe sage und schreibe siebeneinhalb Stunden geweint. Ich hörte erst auf, als wir Mann und Frau waren. Es gibt fast kein Hochzeitsbild ohne nasse Augen.
Meine Frau ist nicht nur sehr hübsch, sondern auch sehr klug. Vor allem ist sie sehr stark. Schon an unserem ersten Abend sagte sie mir, dass sie schon einmal verheiratet gewesen sei. Aber wir tanzten durch die Nacht, und es war mir egal. Vermutlich ahnte sie, dieser Umstand würde bei einem Kirchenfuzzi wir mir abschreckend wirken. Gibt auf Dauer nur Probleme. Aber wer denkt mitten in einer superjeilen Zick schon an Probleme?
Meine Frau hat sich irgendwann auf einen Ehenichtigkeitsprozess eingelassen. Die Würdelosigkeit dieses Unternehmens, das in Elkes Fall nahezu vier Jahre dauerte ist kaum zu beschreiben. Zeugensuche, Vernehmungen, Gutachten, Leumundszeugnisse. Als Höhepunkt ein dreinzehnseitiger vernichtender Schriftsatz des Ehebandverteidigers voller Unterstellungen und Bösartigkeiten. Verfasst von einem Mann ohne Spuren. Im Internet findet sich nichts über ihn. Kein Foto, rien. Als sei er kein Mensch, bloß ein Kugelschreiber mit Blutgefäßen.
Das ist typisch für ein Kirchensystem, das sich wie ein dunkles Schloss aus dem Figurenpark von Franz Kafka plötzlich im Leben ahnungsloser Menschen auftürmt. Eine anonyme gesichtslose Krake, die schweigend nach dir greift. Nach allem, was dir allerheiligst ist. Ohne zu fragen. Sondern mit selbstverständlichem fraglosen Anspruch. Ein seelenloser Automat.
Das muss Liebe sein, denke ich noch heute, kurz vor unserem fünften Hochzeitstag. In guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit. Für mich ist dies kein Kalenderspruch, sondern Fundament unserer Beziehung. In der Krise zeigt sich, worauf es ankommt. Und wir, wir sind schon dort gewesen. Die Kirche hat uns in die erste tiefe Krise gestürzt. Dass wir verheiratet sind ist ein Wunder. Meine Frau musste mich ja auch als einen von diesen Zombietypen identifizieren, die für das System und in dessen Auftrag arbeitet, das ihr so viel Pein bereitet. Eine Zerreißprobe sondergleichen. Meine Frau ist nicht davongelaufen. Sie ist geblieben. Das ist das Ostern meines Lebens.
Irgendwann haben wir unsere Geschichte erzählt. Die Journalistin Eva Müller hat einen Film und ein Buch über unsere Geschichte gemacht. Wir haben den Mund aufgemacht und einfach erzählt. Stundenlang. Tagelang. Bis alles draußen war. Danach war es gut. Für mich war es eine Erlösung. Und Voraussetzung, dass ich überhaupt noch in dieser Kirche arbeiten kann. Diese Kirche, die sich mir gegenüber bis heute ausschweigt. Sie ist ja ganz groß im Schweigen. Tiptop. Am liebsten hätte sie, alle anderen schwiegen auch. Aber das geht nicht. Schweigen ist nicht gut. Schon gar nicht dort, wo es um alles, wo es um die Liebe geht.
Eva Müller: Richter Gottes. Aus: Die Story, WDR 2015 https://www.youtube.com/watch?v=XBizuzUD0cI
Eva Müller: Richter Gottes. Die geheimen Prozesse der Kirche. Köln 2016, 256. Seiten, 14,99 Euro.
Gratulation zum eisernen Durchhalten dieses entwürdigenden Prozesses und Gratulation, der Kirche trotz allem treu geblieben zu sein - es ist das Bodenpersonal - nicht Gott, Gott schützt die Liebenden.
AntwortenLöschenIch weiß nicht, was ihr erlebt und erlitten habt. Ich vermute, es geht um die kath. Kirche. Aber in Wahrheit geht es um die Liebe zwischen zwei Menschen, die sich behauptet hat gegen rigide Regeln und Machtansprüche. Gott segne euch und heile alle Wunden!
AntwortenLöschenEs ist in Ordnung, nach einer gescheiterten Beziehung eine neue einzugehen. Aber ein Mensch sollte sich zumindest um Treue bemühen. Eine christlich-konservative Haltung ist zu befürworten; aber ein bibeltreuer christlicher Fundamentalismus ist abzulehnen. Dogmatismus ist abzulehnen. Die Kirche sollte Anregungen aus der Christian Science empfangen. Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).
AntwortenLöschenNun ja nur was ist mit der ersten Ehe? Wäre nicht viel Leid erspart geblieben, wenn man damals darauf verzichtet hätte den lieben Gott mit ins Boot zu holen?
AntwortenLöschenKommt nicht viel Elend daher, dass man halt in die Kirche geht, vor Gott und den Menschen verspricht, was einem eigentlich wurscht ist?
War die erste Ehe keine Liebe? Mag sein, hört sich auch so an, aber warum hat man dann nicht den Mut aufgebracht dazu auch zu stehen?