Samstag, 10. Dezember 2016

Antwort: Der Papst

Screenshot: Peter Otten
"Ich rufe alle Menschen auf, denen der Menschenrechtstag am 10. Dezember 2016 wichtig ist, Einspruch zu erheben, auch Kirchgemeinden und Seelsorgeteams." Pierre Stutz forderte gestern dazu auf, am heutigen Tag der Menschenrechte zum erneut betonten Ausschluss homosexueller Menschen vom Priesteramt Stellung zu nehmen.

Von Peter Otten

"Papst will Homosexuelle integrieren". So und ähnlich titelten Zeitungen und Internetportale im Sommer 2013. Papst Franziskus hatte auf seinem Rückflug vom Weltjugendtag zum Umgang mit Homosexuellen Stellung bezogen. Dabei fiel ein Satz, der vermutlich zu einem der meistzitierten in seinem Pontifikat wurde: "Ich urteile nicht, wenn jemand Gott mit gutem Willen sucht, wer bin ich, dass ich urteile?" Manche hielten diese Äußerung für ein Indiz zu einem Mentalitätswechsel in der katholischen Kirche. Andere betonten skeptisch, der Papst habe damals lediglich die geltende Lehre betont, indem er auf das verwiesen habe, was im Katechismus stehe: Der verbietet die Diskriminierung von Schwulen und Lesben; ihnen sei "mit Mitgefühl und Takt" zu begegnen. Homosexuelle Handlungen aber verurteilt es als Verstoß "gegen das natürliche Gesetz"; sie seien "auf keinen Fall zu billigen". 


Spätestens seit dem 8. Dezember ist die Sache klar. Und in gewisser Weise kann man dem Papst dankbar sein. Denn die Frage aus dem Flugzeug von Rio nach Rom hat da eine Antwort gefunden. Die vatikanische Kleruskongregation veröffentlichte an diesem Tag die neue Ausbildungsordnung für Priester mit dem Titel "Das Geschenk der Berufung zum Priestertum". Auf Seite 88 der deutschen Übersetzung wird unter der Überschrift "Personen mit homosexuellen Tendenzen" die geltende Lehre wiederholt. Die Kirche könne "bei aller Achtung der betroffenen Personen – jene nicht für das Priesterseminar und zu den heiligen Weihen zulassen, [...], die Homosexualität praktizieren, tiefsitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine sogenannte „homosexuelle Kultur“ unterstützen." Die genannten Personen befänden sich nämlich in einer Situation, die in schwerwiegender Weise daran hindert, "korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen" aufzubauen. Die negativen Folgen, die aus der Weihe von Personen mit tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen erwachsen können, seien nicht zu übersehen. Falls es sich jedoch um homosexuelle Tendenzen handele die bloß Ausdruck "eines vorübergehenden Problems", wie etwa einer noch nicht abgeschlossenen Adoleszenz seien, so müssten sie wenigstens drei Jahre vor der Diakonenweihe  "eindeutig überwunden sein." Der Seminarist sei gehalten, den Ausbildern – dem Bischof, dem Rektor, dem Spiritual und anderen Verantwortlichen – eventuelle Zweifel oder Schwierigkeiten "auf diesem Gebiet" offen zu legen. Wäre die Sache nicht so bitter, man könnte sich ob all der ungelenken Begriffe, mit denen die Autoren das Thema "sexuelle Identität" zu fassen versuchen köstlich amüsieren. In der Priesterausbildung scheint bei aller Berufungs- und Heiligkeitsrhetorik vor allem eins zu fehlen: Nüchternheit und Sachlichkeit.

Nun könnte man dem Text mit Recht vieles entgegnen: Das Kopfschütteln darüber, wie es sich eine Großorganisation in der Mega-Krise locker leistet, bestens ausgebildetes und motiviertes Führungs- und Fachpersonal allein aufgrund ihrer sexuellen Identität auszusortieren. Das Grübeln darüber, wie in einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen Bischof und Priester die Ausbildungsleitungen ernsthaft erwarten, erwachsene (!) Menschen sprächen ihnen gegenüber offen über ihre sexuelle Identität. Das Unverständnis darüber, warum sich die Institution nicht einfach mal aus der Sexualität der Menschen heraushalten kann. Die Beobachtung, dass sich die Kirche mit diesen Definitionen und Ansichten aus einem dringend nötigen Diskurs mit der Welt herauskatapultiert und sein Außenbild als einem Club von Sonderlingen manifestiert. Noch vieles mehr wäre zu sagen. Am bittersten aber ist vielleicht die Beobachtung, die Pierre Stutz in einer gestern veröffentichten Stellungnahme beschrieb: Dieser Entscheid sei für ihn "zutiefst verletzend und diskriminierend". All die Aussagen der letzten Monate, dass homosexuellen Menschen mit Respekt begegnet werden soll, verlören durch dieses Dokument ihre Glaubwürdigkeit, so Stutz. Die Behauptung, schwule Menschen könnten keine korrekten Beziehungen zu Männern und Frauen aufbauen, nennt er "schamlos". Nun weiß man, dass die vatikanische Argumentation genau andersherum verläuft: Der Vatikan würde seine Haltung niemals diskriminierend nennen, im Gegenteil. Da man dort die Definitionsmacht über den Begriff "diskriminierend" beansprucht, ist der nun wieder fundamentierte Ausschluss von Menschen vom Priesteramt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung  in ihren Augen ein Akt von Vertrauen, offenem Dialog und Liebe.

Was nichts am Ergebnis ändert: Sie sind raus. "Ich urteile nicht, wenn jemand Gott mit gutem Willen sucht, wer bin ich, dass ich urteile?" Antwort: Der Papst.

1 Kommentar:

  1. Frank Christian Stoffel11. Dezember 2016 um 21:33

    Ich möchte diesen wunderbaren Text zum Anlass nehmen, den beiden Autoren dieses Blog meinen Dank auszusprechen. Es tut sehr gut, zu wissen, dass es neben dem Papst und dem Vatikan auch noch Menschen gibt,die ein andere Idee von Kirche haben.

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