Freitag, 23. Januar 2015

Dass Du Dich selbst behauptest....

Es ist immer prekär als Nachgeborener aus dem Verhalten während des Nationalsozialismus Rückschlüsse zu ziehen. Da die Kirche aber mit der Seligsprechung Nikolaus Groß dies für sich reklamiert, lohnt ein Blick auf seine Biographie. Einige Gedanken über Dissens und Autonomie anlässlich des 70ten Todestags von Nikolaus Groß.
Nikolaus Groß


Von Norbert Bauer

Das kirchliche Gesetzbuch ist eindeutig: „Die Gläubigen sind verpflichtet, auch in ihrem eigenen Verhalten, immer die Gemeinschaft mit der Kirche zu wahren.“ (Can. 209 § 1) Wer das verinnerlicht hat, ahnt, dass Dissens und Autonomie keine Begriffe sind, die das Selbstverständnis von Kirche prägen.

In seinem Widerstand gegen den Nationalsozialismus waren diese Haltungen für Nikolaus Groß jedoch bestimmend. Für ihn und die vielen anderen Christen in den Widerstandsgruppen galt: sie handelten ohne kirchlichen Auftrag und Rückendeckung. „Im Hinblick auf die Position der Kirchenleitung sind die christlichen Widerstandskämpfer nicht aus einem Gehorsam, sondern aus einem Ungehorsam heraus in der Widerstand gegangen“, analysiert sein Sohn Alexander Groß treffend.


Für Nikolaus Groß war seine Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus früh klar. Als Redakteur der Westdeutschen Arbeiterzeitung schrieb er schon 1930: „Wir lehnen als katholische Arbeiter den Nationalsozialismus nicht nur aus politischen und wirtschaftlichen Gründen, sondern entscheidend auch aus unserer religiösen und kulturellen Haltung entschieden und eindeutig ab.“ Noch fünf Jahre später formulieren die deutschen Bischöfe ihren Konsens in einem Brief an Hitler so: "Wir Bischöfe, auf deren Gewissen die Aufsicht über die katholischen Verbände liegt, verbürgen uns, daß diese katholischen Verbände keine politischen, oder gar, was Wahnsinn wäre, dem jetzigen Regiment feindlichen Tendenzen pflegen."

Nikolaus Groß schloss sich dieser bischöflichen Position nicht an und positionierte sich weiterhin in der Verbandzeitung „Ketteler Wacht“ gegen die NS Regierung. Nach dem Verbot dieser Zeitung 1938 engagierte er sich im Kölner Kreis, einer Widerstandsgruppe im Westen Deutschlands. Irritierend muss nicht nur für ihn eine Anordnung des Kölner Kardinal Schulte wenige Monate später gewesen sein. „Zum 50. Geburtstag des Führers und Reichskanzlers“ wird in allen Kirchen des Erzbistums geläutet. An allen Kirchen und Dienstwohnungen der Geistlichen wird die Reichs- und Nationalflagge gehisst. In allen Kirchen wird „zur Erflehung von Gottes Segen über Volk und Führer ein feierliches Votivamt gehalten“. Man weiß nicht, welche Motive hinter dieser Anordnung standen. Rückendeckung für die katholischen Widerstandskämpfer war dies bestimmt nicht. Sicherlich auch nicht, dass Kardinal Faulhaber, in der kirchlichen Geschichtsschreibung ja als Widerstandskämpfer einsortiert, 1939 nach dem missglückten Attentat auf Hitler in München ein Te-Deum anstimmen ließ, um „im Namen der Erzdiözese der Göttlichen Vorsehung zu danken, dass der Führer dem verbrecherischen Anschlag, der auf sein Leben gemacht wurde, glücklich entronnen ist.“

1944 wurde Nikolaus Groß festgenommen. Nach dem Todesurteil bittet seine Ehefrau Elisabeth den Nuntius um Unterstützung. „Für jedes gütige Wort, das Eminenz für meinen Mann einlegen, bin ich mit meinen sieben Kindern aus tiefsten Herzen dankbar.“ Der Nuntius ließ ausrichten: „Für die Leute vom 20. Juli kann der Nuntius nichts tun."

Auch noch nach dem Krieg tat sich die Kirche mit christlich motiviertem Widerstand schwer. 1947 warnte das Erzbischöfliche Ordinariat Freiburg davor, die „Weißen Rose“ als Vorbild hinzustellen. Ihr Kampf gegen das sogenannte Dritte Reich stand „nicht im Einklang mit den christlichen Moralgrundsätzen.“

In einem Brief an seine Tochter Marianne, der in der Krypta der Pfarrgemeinde St. Agnes in Köln als Reliquie aufbewahrt wird, schreibt Nikolaus Groß. „Wir müssen auch von Dir erwarten, dass Du Dich selbst behauptest.“ Nikolaus Groß hat sich in seinem Kampf gegen das Nazi-Regime behauptet. Auch gegenüber den Bischöfen. Eine halbes Jahrhundert später wurde er seliggesprochen. „Der Widerstand des Einzelnen war plötzlich ein Widerstand der Kirche.“(Marianne Reichart)


Dokumente und Beiträge zu Nikolaus Groß finden sich u.a. in dem schönen Buch: Hans-Ulrich Wiese (Hg.) , "dass Du Dich selbst behauptest". Nikolaus Groß in St. Agnes, Köln 2005   


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