Sonntag, 25. Januar 2015

Der Herr der Welt


Robert H. Benson. Quelle: wikipedia.de

Papst Franziskus hat bei seiner Asienreise mit den Philippinen ein durch und durch katholisch geprägtes Land besichtigt. Es wurde klar, dass ein solches Land ziemlich nach seinem Geschmack ist. Dem westlichen Gedanken der individuellen Freiheit steht er skeptischer gegenüber als seine Gesten, sein Witz und seine Freundlichkeit vermuten lassen. Darin unterscheidet er sich wenig von seinem Amtsvorgänger Benedikt XVI. Das sollte denen, die auf Reformen in der Kirche hoffen zu denken geben.

Von Peter Otten
 
Auch in Sri Lanka und Philippinen gelang es dem Papst, seine Stärke auszuspielen: starke Gesten und Bilder zu setzen. Franziskus, vom Regen durchnässt in einem dünnen gelben Regenschutz gewickelt. Franziskus in einem Armenviertel. Der Papst mit Kindern auf dem Arm. Der Papst auf den Spuren des verheerenden Taifuns, der vor knapp einem Jahr Teile des Landes zerstört und vielen tausend Menschen das Leben gekostet  hatte. Wie immer traf er sich voll echter Empathie mit den betroffenen Menschen, aß und trank mit ihnen, tröstete sie.

Allerdings ließen auf seiner Reise nicht nur seine Gesten, sondern auch seine Worte aufhorchen. Den mitreisenden Journalisten empfahl Franziskus ausdrücklich die Lektüre des Romans „Der Herr der Welt“ von Robert Hugh Benson, den der zum Katholizismus konvertierte Priester im  Jahr 1907 veröffentlichte. Bensons apokalyptischer Thriller gibt einen kruden  Einblick in den weltanschaulichen Abwehrkampf der katholischen Kirche des 19. Jahrhunderts gegen eine damals „modernistisch“ – also liberalistisch, wissenschaftsgläubig und antikatholisch - empfundene Welt.
 
Ist Franziskus ein Gegner der Moderne? Jedenfalls ist ihm Schwarz-Weiß-Denken nicht fremd. Er zeigt ein großes Misstrauen gegenüber der Welt, auch gegenüber ihren offenen freiheitlichen Gesellschaften und verteidigt seine Kirche als zeitloses alternatives Sinnsystem. Zwei Beispiele: Indem der Papst die „Würde der Religion“ verteidigt und die Grenze der Meinungsfreiheit dort sieht, wo sie verletzt wird, steht dahinter auch ein Misstrauen gegenüber der freiheitlichen staatlichen Rechtsordnung, die die Würde und die Freiheit des Individuums verteidigt, was eigentlich der christlichere Gedanke ist. Außerdem sprach  der Papst in seiner Pressekonferenz, als sein Flugzeug gerade über China flog Tacheles über die Gendertheorie. Gender, also das Nachdenken über Geschlechterrollen auch über rein biologische Festlegungen hinaus auch in Ländern Afrikas und Asiens bezeichnete er als „ideologische Kolonialisierung“: „Sie kommen mit einer Idee zu einem Volk, die mit dem Volk nichts zu tun hat“, sagte er. „Und sie kolonisieren das Volk mit einer Idee, die eine Mentalität oder eine Struktur verändern möchte.“ Das hätten die Diktaturen des 20. Jahrhunderts auch gemacht, „denkt an die Hitlerjugend“, so der Papst wörtlich. Deutlicher kann man sein tiefes Misstrauen gegenüber freiheitlichen Gesellschaftsordnungen nicht ausdrücken. Als Alternative verteidigte der Papst folgerichtig auch auf den Philippinen das geschlossene kirchliche Lehrsystem – vor allem in Fragen der Sexualmoral: Ablehnung der Homo-Ehe, die die Familien zerstöre, das Festhalten am Verbot der künstlichen Empfängnisverhütung, kein Sex vor der Ehe. Das alles sagte Franziskus in einem Land, in der die katholische Kirche immer noch die zivile Ehescheidung verhindert.

Was bleibt also außer medienwirksamen Gesten und radikaler Kapitalismuskritik? Die Katholikinnen und Katholiken, die auf Reformen innerhalb ihrer Kirche hoffen und manches davon schon am Horizont aufleuchten sehen sollten lieber zwei Mal hinsehen: Einstweilen und auf lange Sicht bestimmt der Papst, was sie unter der Freiheit des Glaubens zu verstehen haben. Auch wenn der Papst Franziskus heißt.

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