Donnerstag, 5. Dezember 2013

Darf es ein bisschen weniger sein?

Foto: privat
An der Käsetheke kann es ruhig mal etwas mehr sein. Bei den Erwartungen an den neuen Bischof von Köln ruhig etwas weniger

Von Norbert Bauer

Ich liebe diese Frage an der Käsetheke: „Darf es ein bisschen mehr sein?“ Und natürlich sage ich immer: "Ja!" Auf dem Sterbebett würde ich gerne wissen, wieviel Käse ‚ein bisschen mehr’ in meinem Leben insgesamt gewesen ist.

Gestern ging die Kölner Kircheninitiative an die Öffentlichkeit. In einem offenen Brief an Papst Franziskus und das Kölner Domkapitel erhoffen sich die Initiatoren eine Mitwirkung bei der anstehenden Bischofswahl im Erzbistum Köln. Eine gute Initiative, die Partizipation und Subsidiarität als wichtige Gestaltungsprinzipien von Organisatoren aufgreift.


Leider wird mit dem letzten Satz das nüchterne Anliegen wieder ins Gegenteil gewendet. „Unterstützen Sie bitte deshalb unsere Initiative und bestimmen Sie gemeinsam mit den Katholiken des Erzbistums einen neuen Erzbischof, eine gemeindenahe Person, die die Menschen in unserem Erzbistum in eine hoffnungs- und vertrauensvolle Zukunft leitet und begleitet“ heißt es da. „Darf es nicht ein bisschen weniger sein?“ frage ich mich sofort. Ich weiß, ein katholischer Bischof ist etwas anderes als der Chef einer Verwaltungseinheit und an einen Bischof richten sich andere Erwartungen, als an eine Vorstandsvorsitzende. Das Beispiel aus Limburg hat dies deutlich vor Augen geführt. Aber ist es wirklich die Aufgabe eines Bischofs, die Menschen in die Zukunft zu leiten?

Als Organisationsberater weiß ich, wie wichtig klare Leitung für eine Organisation ist. Leitung ermöglicht in einer Firma, in einer Jugendgruppe oder in einem Team Sicherheit, Kreativität und Autonomie. Dies gelingt vor allem, wenn Leitung sich über ihre Grenzen im Klaren ist, wenn sie sich - katholisch gesprochen - ihrer dienenden Funktion bewusst ist. Ich frage mich, warum bei den Initiatoren der Kölner Kircheninitiative, die sich selbst als reformorientierte Katholiken bezeichnen, dieser funktionale Blick verloren geht und vielmehr ein traditionelles, überhöhtes Bischofsbild bestätigt wird: „....Menschen in die Zukunft leitet.“ Liegt es vielleicht daran, dass das biblische Motiv von Gott als gutem Hirten auf das Führungspersonal der Kirche übertragen wird? Es lohnt sich darüber nachzudenken, ob das Bild von der Herde, die dem Hirten folgt bei uns Katholikinnen und Katholiken so subkutan internalisiert ist, dass wir reflexhaft einem Bischof eine heilsbringende Bedeutung zumessen. Es ist ja schon erstaunlich: nachdem nun feststeht, dass der FC aufsteigt, scheint für den Kölner nur noch eine Frage interessant zu sein: wer wird der neue Mann in der Marzellenstraße? Ist diese Fixierung wirklich so hilfreich?

Vor kurzem habe ich in diesem Blog beschrieben, wie gut es dem Fußball in Deutschland tut, dass Michael Ballack nicht mehr spielbestimmend ist. In der Politik kann man zurzeit eine weitere erstaunliche Beobachtung machen. Seit beinahe drei Monaten kommt die Bundesrepublik mit einer nur noch geschäftsführenden Bundesregierung aus. Belgien wurde sogar ein Jahr ohne Regierung verwaltet. Und es hat funktioniert. Auch bei uns im Erzbistum zeigt sich etwas Interessantes: zahlreiche Pfarrerstellen können aktuell nicht besetzt werden. Das Chaos bricht nicht aus. Eine Vakanz kann vielmehr positive Effekte haben. Die Fokussierung auf den Pfarrer wird aufgelöst und andere Formen von Gemeindegestaltung werden ermöglicht. Manchmal ist gerade eine Musterunterbrechung der Schlüssel zur Veränderung. Eine Fixierung auf den (zukünftigen) Bischof bestätigt jedoch die eingefahrenen Muster und lenkt ab von dem so wichtigen Anliegen der Kölner Kircheninitiative: wie kann mit Partizipation und Subsidiarität die Kirche mit ihrer Botschaft zukunftsfähig werden? Daher: Es kann ruhig etwas weniger sein.

2 Kommentare:

  1. Ich glaube ja zu verstehen, was Sie meinen. Aber ist Ihr Einwand jetzt nicht ein klein wenig überzogen? Das Bischofsamt ist nun mal ein Leitungsamt und Führung schliesst immer auch eine gewisse "Richtlinienkompetenz" ein, das wird Ihnen als Organisationsberater jeder Konzernchef bestätigen. Die Kunst dürfte in der richtigen Mischung aus Führung und Begleitung liegen.

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    1. Ich stimme Ihnen zu was die Richtlinienkompetenz angeht. Ein Konzernchef soll natürlich mit seinen Mitarbeitern die strategische Ausrichtung bestimmen.Mein Punkt ist vielmehr, dass der katholische Blick auf den Bischof weit über die Funktion hinausgeht. Und dieses überhöhte Bild wird bei der Kircheninitiative bestärkt.

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