Mittwoch, 16. Februar 2011

Vernünftger Glaube - vernünftige Kirche?

In der derzeitigen Debatte sind neben dem Phänomen, den Inhalt des memorandums der TheologieprofessorInnen auf die Ämter- und Zölibatsfrage zu reduzieren, einige weitere Aspekte beachtenswert. Zum Beispiel verschiedene Versuche, die Kirchenkrise wahlweise zu einer Gotteskrise (ist denn Gott in einer Krise?) oder einer Glaubenskrise (falscher Glaube? zu wenig Glaube?) zu machen. Interessant ist dabei der Versuch, vermeintlich eher inhaltliche Aspekte von vermeintlich eher äußerlichen oder strukturellen zu trennen (vgl. zum Beispiel das "Sterbebettargument" von Manfred Lütz, am Ende des Lebens zähle nicht die Diskussion über den Zölibat, sondern wo man einen gnädigen Gott finde). Oder andererseits Versuche, den status quo der Kirchenstruktur als einen gottgegebenen und darum unveränderbaren Glaubeninhalt festzuschreiben. In beiden Fällen erscheint jedenfalls die Strukur der Kirche als etwas, was mit der Krise nichts zu tun hat und insofern auch nicht weiter beachtet oder gar diskutiert werden müsse. Das dieses Denken eigentlich nicht verantwortbar ist, zeigt jetzt auch Franz-Xaver Kaufmann in seinem neuen Buch.

Das zentralistische Kirchenmodell der katholischen Kirche hat sich seiner Ansicht nach erst im 19. Jahrhundert zu der Form entwickelt, wie sie Katholiken heute vermeintlich ganz selbstverständlich vorfinden. So sagt er es in einem Interview am vergangenen Sonntag. Er schlägt vor, das Prinzip der Subsidiarität, welches die Kirche für andere gesellschaftliche Aspekte selbtverständlich vorschlage, auch bei ihr selbst als Strukturprinzip anzuwenden. In seinem neuen Buch widmet er ein Kapitel der römischen Kurie und kommt in ihrer Strukturbeschreibung zu einem eindeutigen Urteil: "Die römische Kurie ist, was ihre Steuerungskompetenz betrifft, auf dem Niveau der höfischen Organisation des Absolutismus stehen geblieben" (145). Warum ist das so?

"Im Rahmen der vom römischen Recht geprägten "lateinischen Kirche" ist der Glaube an einen hierarischen Verfassungskern göttlichen Ursprungs wohl identitätsbestimmend. Insoweit als kirchliche Strukturen und Selbstverständnisse dem göttlichen Ursprung zugerechnet werden, werden sie daher sakralisiert (...) und als grundsätzlich unwandelbar angesehen" (152), sagt er. Kaufmann lobt, dass Benedikt an der Vision der Vermittekbarkeit von Glaube und menschlicher Vernunft festhalte. Das gelte aber auch für die Kirche selbst. Jedoch: "Wie sich das Verhältnis von Glaube und Vernunft jedoch in der inneren Verfassung der Kirche manifestiert, ist bisher kaum untersucht oder auch nur diskutiert worden" (ebd.): "Die römische Kurie versteht sich in besonderer Weise als Hüterin der Tradition und versteckt sich sozusagen hinter der dem jus divinum zugerechneten Position des Papstes, um selbst an Autorität zu gewinnen." Kaufmann findet dies insofern bemerkenswert, als dass in anderen Aspekten der Modernisierung der Kirche diese sich durchaus von den Erfordernissen einer dynamischen Umwelt habe prägen lassen, etwa in der Reaktion auf die Folgen der Säkularisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts oder in der Förderung der Medien Anfang des letzten Jahrhunderts. Aber in den Überlegungen bezüglich der eigenen Gestalt habe sie dies nicht getan: "Noch immer herrscht die triumphalistishe Vorstellung, die una, sancta, catholica et apostolica ecclesia des Glaubensbekenntnisses sei in der römisch-katholischen Kirche verkörpert" (153). Die mangelnde Transparenz in der Kurie berge die Gefahr der Willkür, die von manchen Mitarbeitern dort auch eingestanden werde (vgl. 152). "Die erfolgreichen Staaten der Neuzeit haben gegen diese Risiken (...) die Prinzipien des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung und damit der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Rechtsanwendung institutionalisiert" (ebd.). Ein fataler Zustand, so Kaufmann: "Man wird (...) das Beharren auf einer weithin ausgeformten und als unwandelbar geltenden Kirchenlehre ("der zu glaubende Glaube") zu erwarten haben. Was die daraus abgeleitete Kirchendisziplin betrifft, so wird sie weiterhin dem Ermessen eines unkontrollierbaren Geflechts vatikanischer Kleriker obliegen, dessen Entscheidungen dem Papst nur in Ausnahmefällen vorgelegt werden" (153).

Kaufmann macht deutlich, dass zum Beispiel die Forderung nach einer Diskussion über eine Verwaltungsgerichtsbarkeit in der katholischen Kirche wohl keine Marginalie ist, sondern wie andere Aspekte, die die Gestalt der Kirche betreffen, den Kern des Glaubens, des Evangeliums selbst sehr wohl berührt. Liest man sein Buch, scheinen jene wiederholten Forderungen, Struktur und Inhalt zu trennen, unzulässig zu sein, weil sie wohl auch Prinzipien theologischen Denkens nicht standhalten. 

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