Dienstag, 8. Februar 2011

Die Dreifaltigkeit des Wellnessglaubens

Geh doch nach drüben! Diese Empfehlung war einst ein guter Brauch. Man sagte sie denen, die gesellschaftliche und politische Aspekte in der Bundesrepublik verbesserungsbedürftig fanden. Statt auf den Gegenstand und Inhalte der Kritik einzugehen lieber ein Totschlagargument: Wenns dir hier im Westen nicht passt, dann hau doch ab in die DDR.

Dieses ruhig unterirdisch zu nennende Niveau erreicht gerade die Auseinandersetzung um das "Memorandum Freiheit" von inzwischen rund 200 TheologInnen.  Das, was man fordere, sei in den "selbsternannten Kirchen der Freiheit" seit über 500 Jahren verwirklicht. Gläubigenmangel und Krisen gebe es gerade da zuhauf, heißt es dann.

Die Dreifaltigkeit dieser Gebetsmühle heißt Lütz, Kissler und Matussek. Letzterer wünscht sich in seinem blog, dass Kritiker, statt mitzureden, sich "öfter mal hinknieten, das Haupt senkten, den Rosenkranz beteten und um göttliche Gnade und Einsicht bäten". Und würde es begrüßen, wenn sie "weniger von Rechten sprächen, als von Pflichten, zu der auch die Gehorsamspflicht gehört. Und in den Vordergrund brächten, worum es geht, nämlich um die Liturgie, um die Sakramente, um die Beichte, um all das, was den Katholizismus im Kern ausmacht". Aha. Jetzt wissen wirs. Allerdings fehlt in der Aufzählung noch der Zölibat, wichtigstes Alleinstellungsmerkmal der Kirche, ultimativer Gottesbeweis gar.

"Die Kirche ist kein Selbstzweck", heißt es in dem memorandum. "Sie hat den Auftrag, den befreienden und liebenden Gott Jesu Christi allen Menschen zu verkünden." Was das heißt und wie das genau geht, hat Jesus selbst ziemlich einfach deutlich gemacht. Sein memorandum der Freiheit besteht aus Aktion: Sünden vergeben, heilen, befreien, dienen, lieben und lehren. Und hat ein Gegenüber im Blick: Einen anderen, der in Not ist und Hilfe braucht. Darin wird die Liebe zu Gott und zum Nächsten konkret. Wer Gott also suchen will, stolpert genaugenommen jeden Tag dutzendfach über ihn, heißt das.


In manchen Bildern des Katholizismus, die gerade immer wieder in neuen Varianten skizziert werden, geht es "nicht um den Nächsten, sondern ums Ich im Kontext ästhetischer Rituale", wie es Jens Schmitz in einem hellsichtigen Kommentar ausgedrückt hat. Und weiter: "Ein selbstbezogener Wellness-Glaube ohne Konsequenzen in der Welt – das ist kein seltenes Phänomen unter Katholiken, die sich als konservativ verstehen. Originellerweise sind es oft dieselben, die die mangelnde Resonanz der Kirche in dieser Welt beklagen." Natürlich dürfe man sich wünschen, in einer Gemeinschaft zu sein, in der man geführt werde, statt sich um ihre gemeinsame Gestaltung kümmern zu müssen. Einer Kirche, in der man vor dem Mysterium versinken könne, statt zu verstehen, was man zu glauben behaupte. Einer Kirche, die von der Aura ihrer Amtspersonen und von der Ästhetik geheimnisvoller Rituale lebe statt von einer klaren Botschaft. Aber, so Schmitz weiter: "Wenn diese Kirche die katholische sein soll, darf man aber nicht darauf verzichten, zu erklären, was das mit dem Evangelium Jesu zu tun haben soll. Sonst wird man kaum verhindern können, dass es Menschen gibt, die ein anderes Bild von Kirche für biblischer halten und die, gerade weil ihnen an der katholischen Kirche etwas liegt, für dieses Bild mit Argumenten werben, statt sie zu verlassen."

Das notwendige Gespräch in der Kirche wird auch ein Ringen um die Kultur werden, die in dieser Kirche herrschen soll. Die Debatte der letzten Tage zeigt, dass dies dringend überfällig ist. Es geht um die Ernsthaftigkeit dessen, was KatholikInnen mit Recht ihren Kern nennen können - und was eben nicht.

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