Zuspruch, aber auch heftige Kritik folgte der Veröffemtlichung des "Memorandum Freiheit" in dieser Woche. So schrieb Daniel Deckers in der FAZ, es sei wohl bezeichnend für den Zustand der katholischen Theologie in Deutschland, dass in "Kompaniestärke angetretene" Professorinnen und Professoren den Christinnen und Christen nach den Enthüllungen sexueller Übergriffe von Geistlichen auf Kinder und Jugendliche "wieder nichts anderes auftischen als den üblichen Kessel Buntes." Und: "Ganz so, als würden Ämter für Frauen (welche denn?), mehr Beteiligung von Laien, verheiratete Priester und der Respekt vor Gewissensentscheidungen in Gestalt gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften aus der verknöcherten katholischen Kirche von heute die glaubwürdige Zeugin der Freiheitsbotschaft des Evangeliums von morgen machen."
Warum ist oft nichts anderes zu lesen als ein Kurzzschluss oder eine Gleichung, die niemand aufgestellt hat? Es geht niemandem um das Ändern an einigen Stellschrauben, damit wie Phönix aus der Asche zwangsläufig die Kirche der Freiheit wiederentsteht. Es geht im übrigen auch nicht im Kern um Frauenordination und Zölibat. Diesbezüglich werden die TheologInnen gerade sehr missverstanden, mitunter auch diskreditiert.
Die Debatte ist doch schon weiter: Es geht darum, sich erneut zu vergewissern, was die Kirche ist, wie ihre Gestalt sein soll und was ihr Dienst eigentlich ist. Das Papier der Theologen macht deutlich, dass beides - das Nachdenken über die Kirche und der Dienst der Kirche selbst - Kulturfragen sind, die aufgrund ihrer Bedeutsamkeit nicht eben en passant zu erledigen sind, sondern über die ein ernsthaftes und gründliches Nachdenken lohnt. Und die Tatsache, dass die akademische Theologie dabei in dieser Weise ihre Unterstützung anbietet, wirft ein bezeichnendes Licht auf das derzeitige Verhältnis von Wissenschaft und Hirtenschar. "Um es vorsichtig zu sagen", sagt Prof. Magnus Striet aus Freiburg, "die akademische Theologie könnte hier mehr Gehör finden." Die Kirchenkrise hat sicher eine geistliche Dimension. Und gerade deswegen sie ist vor allem eine intellektuelle Krise, zu der die Theologie endlich einen wichtigen Beitrag leisten will - aber auch muss.
Denn, auch das muss gesagt sein, wer wie Peter Neuner nun betont, man wolle mit dem Papier die Gemeinden stärken, dem muss auch klar sein, dass die Stärkung nicht nur auf strukturelle Fragen beschränkt sein darf. Übersichtlichere Strukturen führen nicht per se zur christlichen Glückseligkeit. Denn ein Grund für das Dilemma, in dem sich viele Gemeinden zur Zeit befinden, liegt auch in ihrer theologischen und spirituellen Unmündigkeit, Ratlosigkeit oder Naivität - zum Beispiel im Umgang mit der Heiligen Schrift. Die Ämterkirche ist eben auch eine bequeme Kirche. Dies zu ändern oder hier wichtige Impulse zu setzen, dazu könnte die Theologie in der Tat mehr beigetragen. Insofern liegt in einem möglichen Dialogprozess auch ein Appell an die Wissenschaft, den garstigen Graben zwischen den Christen in den Gemeinden und der Theologie zuzuschütten und beim Mündigwerden der Christinnen und Christen stärker mitzuhelfen, bald fünfzig Jahre nach dem Konzil. Und die Hirten müssen wissen, dass es bei den zu führenden Gesprächen vor allem ums Niveau geht, zu wichtig ist der Gesprächsgegenstand. Denn es geht also um Kulturfragen.
Wie dünn der kulturelle Humus ist, zeigt Manfred Lütz heute in der FAZ am Sonntag. Sein nur knapp verdeckter Rat an die Bischöfe, gelegentlich wohl häufiger über das Instrument des Lehrentzugs nachzudenken, sein Verständnis für die Bischöfe, die sich solche unberechenbaren Berater lieber vom Hals hielten, das alles wird noch getoppt:
"Daher ist die Erklärung in Wirklichkeit ein Dokument der Resignation und Verzweiflung. Man weiß im Grunde sehr gut, dass das alles nicht eintreten wird. Schon einmal hat man sich vor 20 Jahren mit der sogenannten "Kölner Erklärung" ins Abseits gebracht."
Schon vergessen, dass seinerzeit das Wahlrecht durch den Papst geändert wurde und damit auch Staatskirchenrecht, bestehende Verträge ignoriert wurden?
"Hier gilt die psychotherapeutische Einsicht: "Wenn man immer wieder etwas tut, was nicht funktioniert, dann hat man ein Problem."
So können nur die sprechen, die - Gott sei Dank! - noch nie in ihrem Leben Widerstand leisten mussten, noch nie wegen Überzeugungen Nachteile erlitten haben. Und nun kommt ein Drehbuch, dass allem, was an Freiheitssehnsucht sich in den letzten Jahrzehnten und doch gerade wieder Bahn bricht, Hohn spricht:
"Wieder werden diejenigen, die die Erklärung unterschrieben haben, sich von bestimmter Seite kritisch betrachtet und ausgeschlossen fühlen. Das wird ihre Verbitterung und Entmutigung verstärken. Sie werden der Versuchung kaum widerstehen können, diejenigen Professoren, die die Erklärung nicht unterschrieben haben, als obrigkeitshörige Speichellecker zu diskreditieren und ohnehin jede Kritik an ihrer Erklärung als perfiden Dolchstoß gegen mutige Neuerer angreifen. Das alles wird die schon vorhandene Spaltung in vielen Fakultäten vertiefen. Bei den Bischöfen werden sich einige verständnisvoll äußern, um die 144 nicht gänzlich vor den Kopf zu stoßen, das werden andere Bischöfe als Opportunismus geißeln, und auch die ohnehin vorhandenen Spannungen in der Bischofskonferenz werden sich eher verstärken. Bei den Laien an der Basis wird zwar auch der Frust mal wieder steigen, aber diejenigen, die noch in die Kirche gehen, sind inzwischen gegen diese alle paar Jahre über Land gehenden Wellen abgehärtet."
Nun sollen hier nicht Revolutionen von Völkern mit den Zuständen in der katholischen Kirche leichtfertig in einen Topf geworfen werden, und doch: Das könnte ein IM Soundso auch Christen in der DDR ins Gebetbuch diktiert haben! Es gibt die Kirche nicht um ihrer selbst willen! Die Kirche ist ausschließlich da wegen der Menschen und deren Heil, übrigens auch wegen dem Heil derer, die nicht zur Kirche gehen.
„Warum habt ihr solche Angst? Ist euer Glaube so klein?“ fragen die TheologInnen am Ende ihres Papiers mit dem Blick auf die Geschichte des Petrus auf dem See. In der Tat ist das die Frage. Der Glaube ist größer, als dass er sich nur mit der Kirche beschäftigen darf. Der Glaube ist groß genug für die Welt. Allerdings steht genau das gerade auf dem Spiel.
"Warum ist oft nichts anderes zu lesen als ein Kurzzschluss oder eine Gleichung, die niemand aufgestellt hat? Es geht niemandem um das Ändern an einigen Stellschrauben, damit wie Phönix aus der Asche zwangsläufig die Kirche der Freiheit wiederentsteht. Es geht im übrigen auch nicht im Kern um Frauenordination und Zölibat. Diesbezüglich werden die TheologInnen gerade sehr missverstanden, mitunter auch diskreditiert."
AntwortenLöschen..dann hätten sie den von Deckers (ausnahmsweise sehr treffend) so bezeichneten "üblichen Kessel Buntes" aus ihrer Erklärung einfach herauslassen sollen. Dass die Fronten damit wieder klar sind, war vorher abzusehen.
"Es geht darum, sich erneut zu vergewissern, was die Kirche ist, wie ihre Gestalt sein soll und was ihr Dienst eigentlich ist." - Alles ganz schön und auch wirklich notwendig, aber wer HIERÜBER ernsthaft diskutieren will und nur ein bisschen verstanden hat, wie Kirche funktioniert, der stellt die Sache anders an. So funktionierts einfach nicht.......
......und was die fatalen Folgen dieser Aktion angeht, fürchte ich, dass Lütz da sehr richtig liegt. Wie schon gesagt: Die Fronten sind endlich wieder klar, es darf scharf geschossen werden. Bravo. Der Stasi-Vergleich lässt grüßen: Quod erat demonstrandum.
Dabei sagt Lütz garnicht, dass sich nichts ändern dürfte, könnte oder sollte - aber so wird sich eben nichts ändern außer dass Gräben vertieft werden und immer mehr sich frustriert abwenden. Das ist einfach nicht der Weg.
1. Ich finde, wenn Kommentatoren in Zeitungen - aber nicht nur da - das Anliegen der TheologInnen auf Zölibat und Frauenordination reduzieren, dann haben sie den Text und das Anliegen nicht verstanden, was ich schade finde. Was spricht im übrigen gegen ein Gespräch - auch über die fünf Punkte? Warum soll man das Thema "rechtsstellung des Christen" herauslassen? Ist sie denn so hervorragend, dass es nichts zu reden gibt? Oder das Thema Gewissen? Was ist mit den Gewissenskonflikten von Christen, die nach einer gescheiterten Ehe eine neue Bindung gefunden haben und in Fragen ihres Sakramentenlebens in Doppelmoral hineingeschickt werden ("solange es nicht auffällt..."). Lohnt sich da nicht das Gespräch? Was ist eigentlich daran "ein Kessel Buntes"? Und wie soll mann die Vergewisserung, die nach Deiner meinung ja auch wichtig ist, denn sonst anfangen?
AntwortenLöschen2) Ich rücke die Kirche nicht in die Nähe totalitärer politischer Systeme, nun wirklich nicht, auch wenn Du anderer Ansicht zu sein scheinst ("qud erat demonstrandum").
Allerdings finde ich die Haltung von Lütz unchristlich, ja unkatholisch ("Hier gilt die psychotherapeutische Einsicht: "Wenn man immer wieder etwas tut, was nicht funktioniert, dann hat man ein Problem.") Würden Christen überall in der Welt, wo sie - auch politisch - Gewissenskonflikten ausgesetzt sich, sich daran halten ("Sich wehren ist krank"), wären sie nirgendwo zum Motor von Veränderung geworden. Und wenn Kissler, Mattussek und eben jetzt auch Lütz Christen immer vorwerfen, sie hielten sich an Strukturen der Kirche auf und vernachlässigten das "Eigentliche" (Wie finde ich einen gnädigen Gott?), sollten doch auch sie wissen, dass man das nicht trennen kann. Schon Goethe sagte: Das "Was" bedenke, mehr das "Wie"! Im Gegenteil: Die, die ständig sagen, der Zölibat sei das Alleinstellungsmerkmal der katholischen Kirche - oder gar eine Art Gottesbeweis, die tun doch genau das. Menschen, die über Kommunikation, Gewissensfreiheit und Versöhnung sprechen möchten, die geistliche Dimension ihres Anliegens dauernd per se und noch dazu in einer unerträglich ironischen Art abzusprechen, das halte ich in der Tat für eine unredliche Unterstellung.