Am stärksten und wichtigsten ist vielleicht dieser Satz: "Als Theologieprofessorinnen und -professoren dürfen wir nicht länger schweigen. Wir sehen uns in der Verantwortung zu einem echten Neuanfang beizutragen: 2011 muss ein Jahr des Aufbruchs für die Kirche werden." Die, die da unterzeichnet haben, wissen wohl, dass sie mit ihrer Karriere spielen - zumindest die, die noch keine PensionärInnen sind. Nicht alle haben das getan, viele sollen mündlich ihre Unterstützung geäußert haben. Für Christinnen und Christen, die sich in den Gemeinden gerade oftmals als Einzelkämpfer fühlen müssen, wird das ein wichtiges Zeichen sein, dass sich hier noch andere - VertreterInnen der theologischen Wissenschaft - in der Verantwortung sehen. Auf der anderen Seite ist es eine deutliche Einladung an die Bischöfe, das Teilhabe der Wissenschaft an Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen auch für diese auch für sie konstruktiv oder einfach nur erleichternd sein kann. Allerdings auch ein Indikator dafür, dass es mit den Beziehungen zwischen theologischer Wissenschaft und Episkopat insgesamt nicht zum besten zu steht.
Bislang 144 Theologieprofessorinnen und -professoren haben ein Memorandum unterzeichnet, in dem sie tiefgreifende Reformen in der katholischen Kirche fordern. Sie nehmen die Fährten des Prozesses auf, die in den letzten Tagen auf verschiedenen Seiten gelegt worden sind: "Die Unruhe eines offenen Dialogs ohne Tabus ist nicht allen geheuer, schon gar nicht wenn ein Papstbesuch bevorsteht. Aber die Alternative: Grabesruhe, weil die letzten Hoffnungen zunichte gemacht wurden, kann es erst recht nicht sein", heißt es. Im vergangenen Jahr seien so viele Christen wie nie zuvor aus der katholischen Kirche ausgezogen; sie hätten der Kirchenleitung ihre Gefolgschaft gekündigt oder ihr Glaubensleben "privatisiert", um es "vor der Institution zu schützen". Eine bittere Bilanz für eine Kirche, die sich selbt einmal als "Heilsanstalt" sah. Und doch: "Wir wenden uns an alle, die es noch nicht aufgegeben haben, auf einen Neuanfang in der Kirche zu hoffen und sich dafür einzusetzen."
Es geht um Teilhabe und Mitbestimmung als selbstverständliche Strukturprinzipien in der Kirche; darum, dass das Amt dem Leben in den Gemeinden zu dienen habe und nicht umgekehrt. Daraus folgt für die Unterzeichner die Notwendigkeit verheirateter Priester und Frauen als Amtsträgerinnen. Es geht um die Achtung vor dem Gewissen der Menschen, die zum Vertrauen auf persönliche Entscheidungen führen müsse. Es geht auch um Respekt vor Menschen, die die "hochgeschätzten" Lebensformen Ehe und Ehelosigkeit nicht leben können und in anderen Lebensformen verantwortlich leben; es geht um Rechtskultur und Rechtssicherheit.
Zweiundzwanzig Jahre nach der Gründung der Kölner Erklärung, an das sich nur noch die wenigsten erinnern, vierzig Jahre nach Beginn der Würzburger Synode und bald fünfzig Jahre nach Verabschiedung der Liturgiekonstitution, die nun Anlass geben soll für einen Euchristischen Kongress in Köln ist das Signal von immerhin einem Drittel der deutschsprachigen katholischen TheologInnenschaft ein wichtiges und längst überfälliges Signal. Die Kirche befindet sich in einer Kulturkrise. Ein Symptom dafür nicht nur die Art und Weise, wie in den letzten Tagen diskutiert und abgemeiert wurde. Aber es geht nicht nur um die Kultur des Gesprächs, des Diskurses, des Argumentierens, die dringend wiederbelebt werden muss. Es geht auch darum, ob die Kirche die Rolle ausfüllen will, die sie hat: Als Teil der Kultur für Menschen und Gesellschaften bedeutsam zu sein. In Abwehrbewegungen - gegen angeblichen Relativismus, gegen andere Konfessionen und Religionen - hat sie damit kein Problem. Aber in einer konstruktiven Weise geschieht das schon länger nicht mehr
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