Dr. Regina Illemann (KDFB) Foto: Georg Müller |
Predigt von Dr. Regina Illemann am Vorabend des Festes der heiligen Maria Magdalena am 21. Juli 2018 in St. Agnes
Liebe Schwestern und Brüder!
Sie kennen die Szene des heutigen Evangeliums (Joh, 20, 1-2; 11-18), die der Schlüsseltext für das heutige Fest ist: Am Ostermorgen als die anderen Jüngerinnen und Jünger wieder weg waren, stand Maria Magdalena noch erschüttert am leeren Grab. Weinte. Suchte weiter. Die Begegnung des Auferstandenen mit seiner Jüngerin wird zu einer liebevollen Mischung aus Suchen, Finden und Gefunden Werden. In dieser österlichen Begegnung der beiden eng Vertrauten wird Maria Magdalena zur Apostolin: Christus sendet sie aus mit dem Auftrag, sein neues Leben zu verkündigen – und das tut sie!
Gerade haben Sie hier vorn ein Gespräch dreier Frauen miterlebt, die darüber staunten und sich freuten, dass Papst Franziskus den Gedenktag Maria Magdalenas 2016 zum Fest erhoben und die Heilige damit den Aposteln liturgisch gleich gestellt hat. Falls wegen dieses Gesprächs, der Eindruck entstanden ist, das Fest der Apostolin Maria Magdalena wäre doch eigentlich nur für Frauen interessant, so widerspreche ich mit Nachdruck: Nein – es ist eben nicht nur eine „Frauensache“! Natürlich war Maria aus Magdala eine Frau, aber ihr Frau-Sein ist zweitrangig. Das Herausragende an dieser Person ist ihre Jüngerschaft und ihre apostolische Sendung. Alle vier Evangelien nennen „Maria“ aus der Stadt „Magdala“ mit Namen und bezeugen sie als Jüngerin. Maria Magdalena begleitete demnach als einzige namentlich genannte Person Jesus in allen Phasen seines Wirkens: Schon in Galiläa folgte sie ihm nach, begleitete ihn nach Jerusalem, schließlich bis nach Golgota unters Kreuz – wo viele andere ja gerade „gekniffen“ haben… – und auch zur Grablegung. Alle vier Evangelien nennen sie als eine der Frauen, die das leere Grab entdeckten. Markus und Johannes überliefern ihre Begegnung mit dem Auferstanden.
Diese Jüngerschaft der Maria aus Magdala ist beispielhaft und vorbildlich. Wir alle sind schließlich aufgerufen, Christus nachzufolgen – das ist Kern christlichen Lebens: Sein Wort zu hören, ihn in seinem Wirken mit unseren Mitteln zu unterstützen, wie auch Maria Magdalena es damals tat. Jünger oder Jüngerin zu sein, bedeutet auch, Christus immer wieder zu suchen. Und vielleicht – hoffentlich – kennen auch Sie ein paar geschenkte Momente, in denen Sie die göttliche Gegenwart selbst erfahren durften. So wie Maria Magdalena am Ostermorgen. Aus der Begegnung im Garten am leeren Grab folgte ein Auftrag: Maria Magdalena trug weiter und verkündete, was sie mit dem lebendigen Gott erlebt hatte. Und zu nichts weniger, sind alle Gläubigen beauftragt: weiterzutragen, was wir mit dem lebendigen Gott erleben – nach dem Beispiel der Maria Magdalena, aber völlig unabhängig davon, welches Geschlecht wir persönlich haben.
Und doch hat dieses Fest der Apostolin Maria Magdalena für Frauen sicherlich eine besondere Bedeutung. Die drei Frauen vorhin haben es als „Meilenstein“ und „Erdbeben“ bezeichnet! Was uns die Bibel überliefert – das Bild der Jüngerin und Apostolin – ist nämlich im Lauf der Jahrhunderte stark verdunkelt worden. Zwar nannte Thomas von Aquin, der große Theologe des Mittelalters, sie „Apostola apostolum“, Apostolin der Apostel. Und in den Ostkirchen wurde sie durchgängig als „Apostelgleiche“ verehrt. ABER… Aber: eine andere Tradition wurde weitaus wirkmächtiger. Maria Magdalena wurde mit verschiedenen biblischen und außerbiblischen Frauengestalten verschmolzen, allen voran mit einer namenlosen Sünderin des Lukasevangeliums, die Jesu Füße mit ihren Tränen übergoss und mit ihren langen Haaren abtrocknete. Unzählige Maler schufen Bilder einer solchen – vermeintlichen! – Maria Magdalena, vielfach erotisch aufgeladen. Diese Gemälde haben mit dem biblischen Zeugnis nichts gemein, prägen aber bis heute das Bild dieser Heiligen. Immer wieder machte man sie außerdem zur Repräsentantin des weiblichen Geschlechts überhaupt, und meinte bestätigt zu sehen, dass Frauen schlechthin sündhaft, schwach und eben minderwertig wären. Geschlechtergrenzen, die die biblische Maria Magdalena und die anderen Jüngerinnen Jesu doch gerade überwunden hatten, wurden rasch und nachhaltig wieder theologisch zementiert… Auch wenn sich in den vergangenen Jahrzehnten so manches am kirchlichen Frauenbild positiv gewandelt hat, wirkt vieles noch immer nach, was Frauen gering achtet oder diskriminiert.
Wenn wir also die Heilige Maria aus Magdala heute als Jüngerin und Apostolin feiern, wie es Papst Franziskus angeordnet hat, hat dies eine nicht zu unterschätzende Bedeutung dafür, wie heute Frauen in der Kirche gesehen werden, was man von ihnen erwartet oder ihnen zutraut – und auch, was Frauen sich selbst zutrauen oder von sich erwarten.
Aber ich komme noch einmal zu meinem Hauptgedanken zurück: Denn auch diese Verdunklung und Verfälschung des Magdalenen-Bildes betrifft eben doch wieder Frauen und Männer gleichermaßen. Uns allen fehlte viel zu lange dieses strahlende Vorbild an konsequenter Jüngerschaft, dieser Jüngerschaft, die in Leben, Sterben und Auferstehen Christus nachfolgt. Einzig die Person der Maria aus Magdala verkörpert sie.
Der Festtag der Heiligen Maria Magdalena ist ein Fest für die Frauen und für die ganze Kirche. Und wir, liebe Schwestern und Brüder, feiern dieses Fest der Jüngerschaft, indem wir heute Christus suchen, ihm in Gestalt des Brotes begegnen und uns von ihm ins Leben senden lassen!
Amen.
Dr. theol. Regina Illemann
Katholischer Deutscher Frauenbund, Diözesanverband Köln: www.frauenbund-koeln.de
rmi-wortwerkstatt: rmi-wortwerkstatt.net
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