Montag, 22. Mai 2017

Lass es Liebe sein

Foto: www.randomhouse.de
Stell dir vor, Frauen dürften nicht Priesterin werden und niemanden interessierte es? Christiane Florin
hat ein Buch über einen Weiberaufstand geschrieben, der nicht stattfindet. In einem klugen, gut recherchierten und, ja, auch amüsanten Buch nähert sie sich zudem der Frage, was das ist, was die katholische Kirche zumindest im Binnenverhältnis von Laien und Klerikern erstaunlicherweise immer noch zusammenhält - und kommt zu einem beunruhigenden Befund.

Von Peter Otten

An einer Stelle erzählt Christiane Florin von ihrem Erlebnis, als sie einmal an einer Arbeitsgruppe für mehr Weiblichkeit teilnahm. Dort sei die Idee erörtert worden, "eine Art Foto-Frauenquote einzuführen. Die sähe so aus: Immer wenn sich Bischöfe zur Vollversammlung treffen, sollten auch weibliche Wesen mit aufs Abschlussbild. Ganz gleich ob Referentinnen, Pressefrauen oder Servicekräfte - Hauptsache Seit an Seit mit Erzbischöfen. Die Idee schaffte es schließlich doch nicht auf die To-do-Liste, weil sie zu stark an einen Escort-Service gemahnte." Diese kleine Geschichte ist so skurril, dass sie wohl nur in der katholischen Kirche stattgefunden haben kann. "Wirklich weiblich - was auch immer das sein mag", so Florin jedenfalls weiter, "soll die Kirche dort, wo Entscheidungen fallen nicht werden. Sie soll nur danach aussehen."

Ihr Buch heißt "Der Weiberaufstand" und handelt von einem Aufstand, den es gar nicht gibt. Denn das ist das Bemerkenswerte: Warum regt es in der Kirche eigentlich immer weniger Menschen auf, dass Frauen systematisch benachteiligt werden? "Es geht mir um die kleinen Nadelstiche" schreibt die Autorin im Klappentext, "die ganz selbstverständlichen Benachteiligungen, nur weil das Gegenüber eine Frau ist. Würde man so handeln, weil das Gegenüber eine dunkle Hautfarbe hat, dann wäre man Rassist. Handelt und redet man so, weil das Gegenüber eine Frau ist, was ist man dann? Katholisch."

Florin hat in iherem Buch, das sie als "Streitschrift und Streifzug" versteht, die Strategie gewählt, die Argumente der Gegner der Priesterweihe für Frauen zu prüfen - und, das wird niemanden erstaunen, dabei klug und mit einer oftmals wunderbar zu lesenden Portion Ironie zu entlarven: "Die katholische Kirche hat im Laufe der Zeit eine wundersame Kreativität an den Tag gelegt, um immer wieder neue Bedenken und Verbotsbegründungen zu erfinden, wenn alte wegbrachen. An Einfallsreichtum und Autorität schwanden, griff sie zu einem anderen Mittel: Sie zeigte die Instrumente und wandte sie an. Die lehramtlichen Schreiben des späten 20. Jahrhunderts antworteten auf Autoritätsverlust mit Rechtsverschärfung."

Die Grundbeschreibung dabei, die sich wie ein feines Vlies durch das ganze Buch zieht ist die, dass in der katholischen Kirche stets "fromme Männer" festlegen, wie die Frauen zu sein haben: "Die Frau ist das, wofür wir sie halten; sie darf werden, was wir brauchen: Mutter, Ehefrau, Ordensfrau. Das muss reichen." Denn das Kirchenrecht, auch darauf weist Florin zurecht hin, definiert den Kleriker (Mann) und grenzt von ihm den Nicht-Kleriker (Laie) ab. Für diesen Grundakkord versammelt die Autorin auch reichlich Belege aus der lehramtlichen Tradition. Davon leitet sich dann ein schöner Blumenstrauß ab: es geht darum, Frauen vor dem Griff nach der Macht zu bewahren, damit sie - ganz marianisch - das ihr Eigene, das Prophetische und das Sorgende darstellen könne. "Die volle Menschenwürde haben Frauen nur durch die Mutterwürde." Da bleibt kein Platz für eine weibliche Priesterinnenberufung, die sich bestenfalls in den Köpfen von Frauen abspielt, aber eben aufgrund des falschen Geschlechtes nicht sein kann. Ein Zitat aus der Doktorarbeit von Manfred Hauke aus dem Jahr 1981 bringt das sehr schön auf den Punkt: "Die Überlegenheiten des Mannes führen, um es pointiert zu sagen, zu seiner Überordnung, die Überlegenheiten der Frau aber zu ihrer Unterordnung." Das katholische Dilemma: "Auch das muss man nicht verstehen, man muss es glauben."

Das ist eine These des Buches: Der Ausschluss von Frauen vom Priesteramt ist an keiner Stelle die Frage des besseren Argumentes, sondern schlicht eine Frage des Glaubens, des vertrauensvollen Folgens der Schafe in der Spur der Hirten. Auch die Fragen nach (Geschlechter)-Gerechtigkeit wird gerne weggewischt: Luxusthema von Industriestaaten, Zerreißprobe für die globalisierte Weltkirche: "Kirchenmänner haben sich erst verächtlich, dann herablassend und schließlich schwärmerisch über weibliche Wesen geäußert. Frauen waren zuerst zu dumm, dann zu schwach und schließlich zu fein für das Priesteramt. Jetzt sind sie zu gefährlich für die Weltkirche." Da hilft es auch nicht, wenn manche Bischöfe den Gedanken der Gemeindediakonin - selbstverständlich abgetrennt vom Weiheamt - ins Spiel bringen, im Gegenteil: Die Bischöfe "denken sich etwas Sedierendes aus. Als Gemeindediakonin hat SIE etwas Eigenes, eine Art katholisches Jodeldiplom und dann gibt sie Ruhe." Und weiter: "Der Frauendiakonat gehört in die Quengelzone der Kirchenpolitik, die Forderung danach ist lästig, deshalb sollen die Weiber endlich still und dankbar sein, wenn sie irgendeinen Titel spendiert bekommen." Mit Bezug auf Rahner und andere wirft Florin hingegen ein, wer die Frauenordination unter Berufung auf Paulus verbiete, erkläre den Zeitgeist von damals zur ewig gültigen Wahrheit. Hier seziert Florin in einem wunderbar komponierten fiktiven Dialog mit einem Seminaristen genüsslich die katholische Dialektik: im katholischen Kosmos gibt es jemanden, der Zeitgeist von der Wahrheit scheidet und der eben klarstellt, dass Paulus die Wahrheit und Rahner halt Zeitgeist ist - das Lehramt. Ein guter Theologe respektiere das Lehramt und die Geschichte, lässt Florin den Seminaristen sagen. Er akzeptiere, dass eine Berufung nicht vom eigenen Gefühl abhänge, sondern von der Zustimmung der Kirche. "Demut nennt er als wichtigste Theologentugend. Ich würde es Bequemlichkeit nennen. Gemütlichmachen im Immer-Schon."

Warum aber scheint das Thema Frauenordination trotz all der sehr angreifbaren Argumente seiner Gegener innerkirchlich abgeräumt? Auch das liberale Lager im Katholizismus bekommt da sein Fett weg. Die Autorin erinnert daran, dass selbst der Katholikentag 2016 in Leipzig die Anregung des Kirchenhistorikers Prof. Hubert Wolf nicht aufnahm, ein klares Votum für die Ordination von Frauen abzugeben. Verheiratete Männer als Priester und für Frauen etwas Eigenes - so laute das Kampfziel derer, die nicht (mehr) kämpfen wollten. Vielleicht, "weil viele Frauen doch so sind, wie die Papiere sie gern hätten: leidensfähig, um Ausgleich bemüht. Und ehrfürchtig bis furchtsam gegenüber dem Klerus." In Nischen hätten sich viele eingerichtet, in denen nur ab und zu ein Inhaber klerikaler Leitungsmacht vorbei komme. "Emanzipation fängt erst wieder an, wenn er den Raum verlassen hat." Emanzipation reime sich nicht mehr auf Konfrontation. Denn: "Kleriker haben Macht über die Gefühle derer, die ihre Macht akzeptieren." Aber wenn es so wäre: Könnte man/ frau sich nicht vorstellen, dass die klerikalen Riesen sich als Scheinriesen entpuppen, wenn man/frau ihre Macht schlicht nicht mehr akzeptieren? Möglich.

Ein gängiger Versuch ist derzeit jedoch, neben der klerikalen Machtbase Frauen strukturelle Macht zu übertragen - als Abteilungsleiterinnen in Ordinariaten beispielsweise. Doch auch dabei gilt: "Männer definieren noch immer die Grenzen der Großzügigkeit, wer bei ihnen etwas erreichen will, darf daran nicht zweifeln und muss es Geschlechtsgenossinnen als kluge weibliche Selbstbeschränkung verkaufen." Die "Ein-Loch-in-die-Mauer-bohren"-Strategie. Florin schildert eine Begebenheit auf einem Pastoralkongress Anfang diesen Jahres, als eine Theologin auf die Frage, wofür die "Kirche Platz machen" solle antwortete: "Für die Ordination von Frauen." Die Stimmung im Saal sei gesunken. Mit dieser Antwort habe die versammelte Schar von Katholikinnen und Katholiken nicht gerechnet. "Eingelullt oder euphorisiert von Sinus-Milieustudien geben sich aufgeschlossene Männer der Illusion hin, die Kirche könne "anschlussfähig" an die Gesellschaft sein, ohne den Mädchenkram auch nur anzusprechen. Je nachdem, wie man die Scheinwerfer der Lichtshow ausrichtet, merkt keiner, was und wer fehlt" so die Autorin. "Die Frauenfrage ist in liberalen Runden zur Altlast geworden, ein Spaßbremsenhobby, das die gute Laune stört. Auch hier soll ein Zustand schon als überwunden gelten, bevor er erreicht wurde. Wie bei Burke, nur buddhistisch-spirituell statt betonkatholisch. Man muss loslassen können, raunen mir moderne Performer zu." Wer innerkirchlich Frauen die Frauenfrage stelle, bekomme eine Mischung aus harten Worten und weichem Verhalten. "Die Diskriminierten, Herabgesetzten, Missachteten üben Rück-, Vor- und Nachsicht gegenüber der Institution und ihren Vertretern. Das muss Liebe sein. Wer die Kirche nicht liebt, hat sie längst verlassen." Spätestens da fällt einem dann ernüchternd die Jasminteetasse aus der Hand. Lass es Liebe sein. Wie wäre das, wenn die katholische Mechanik wirklich gerade deswegen so reibungslos funktionieren würde? Es wäre beunruhigend, weil diese Liebe natürlich keine Liebe wäre.

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