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seiner Vorgänger angeschlossen, die zusammengefasst lautet: Das war immer schon so. Mit einem ähnlichen Argument wollte Pete Seeger Bob Dylan 1965 die elektrische Gitarre entreißen. Das ging daneben, zum Glück.
Von Peter Otten
1965 beschloss Bob Dylan, seine Gitarre elektrisch zu verstärken. Es war beim Newport-Festival, als Dylan mit der Paul Butterfield Blues Band auftrat und mit umgeschnallter E-Gitarre eine Version von "Maggies Farm" anstimmte. Ein Teil des Publikums buhte heftig, so heißt es, und auch hinter der Bühne sollen sich bizarre Szenen abgespielt haben: Pete Seeger, eine Art Papst Benedikt der Folkmusik, soll damals sogar damit gedroht haben, die Kabel mit einer Axt kaputt zu schlagen. Doch Dylan machte weiter. Auch bei einer anschließenden Europatournee hagelte es Kritik, Pfiffe und Buhrufe, wenn der Sänger seine E-Gitarre auspackte. Daraus machte Dylan ein lakonisches Ritual: Er drehte sich zu seiner Band um und wies sie mit vier Worten an: "Play it fuckin´ loud!" Der Rest ist Geschichte. Dylan spielte E-Gitarre, saß später, als die Rückenschmerzen zu heftig waren an einem (elektrisch verstärkten) Klavier und lässt seit 1985, dem Beginn seiner Never-Ending-Tour, keine Bühne aus. Sogar vor dem Papst hat er aufgespielt. "Das war schon immer so!" - dieses Argument hat Dylan im Hinblick auf seine Entwicklung als Künstler und im Hinblick darauf, wie man Folk-Musik angeblich grundsätzlich zu spielen habe geflissntlich ignoriert. Gott sei Dank. Heute covert Dylan sogar Sinatra-Songs (igitt!) und ist auf der Bühne vielleicht so gut wie nie, wenigstens aber einer der interessantesten Künstler unserer Zeit.
Franiskus ist nicht Bob Dylan. Leider, allerdings erwartbar. Auf seinem Rückflug aus Schweden erteilte der Papst der Frauenordination in der römisch-katholischen Kirche erneut eine Abfuhr. Daniel Deckers zitiert ihn in der FAZ mit den Worten, die Äußerungen Johannes Pauls II. von 1994 seien wohl das letzte Wort in dieser Sache. Deckers wiederholt an dieser Stelle die Argumentation aus dem entsprechenden Dokument "Ordinatio sacerdotalis": "Erstens habe Jesus nur Männer als Apostel in seine Nachfolge berufen; zweitens habe die katholische Kirche es immer so gehalten wie Jesus, drittens halte das kirchliche Lehramt an der Auffassung fest, dass der Ausschluss von Frauen von der Priesterweihe nicht im Widerspruch zu dem Heilsplan Gottes stehe. Diese Begründungen, so Johannes Paul II. weiter, müssten von allen katholischen Christen als bindend angesehen werden." Implizit sei, so Deckers weiter, damit auch die Weihe von Frauen zur Diakonin ausgeschlossen, wenigstens insoweit der Diakonat Teil des dreigliedrigen Weiheamtes sei. Einmal mehr entpuppt sich der Papst als kongenialer Vertreter katholischer Doppelbindung: einerseits die lutherische Bischöfin Antje Jackelén umarmen und als "bedeutend" preisen, andererseits bekräftigen, dass Berufungen wie die ihre in seiner Kirche unbedeutend, weil nicht möglich seien. Einerseits eine Kommission zur Erforschung des Diakonates der Frau einberufen und total unrealistische Hoffnungen befeuern, mit der Überzeugung im Hinterkopf, es wird nichts zu ändern sein. Resultat: flächendeckende Hypnose in der Catholica, frei nach dem Motto: "Er kann halt nicht anders. So schlimm wie es klingt meint er es vielleicht doch nicht." Doch, er meint es genau so.
Dabei ist es Alltagswissen: "Das war immer schon so!" ist ein schlechtes Argument. Nicht nur Eltern können in der Erziehung ihrer Kinder davon ein Lied singen. Mit diesem Argument würden beim 1. FC Köln womöglich nur gebürtige Kölner spielen, der Rosenmontagszug würde immer noch am Severinstor enden und der Kölner Erzbischof immer noch im Brühler Schloss residieren. Auch theologisch befindet sich dieses Argument auf dünnem Eis, wissen Theologinnen und Theologen doch, dass beispielsweise auch bei exegetischen Überlegungen stets der kulturelle und soziologische Kontext beachtet werden muss. Damit ist auch die Argumentation, Jesus habe eben nur Männer als Apostel berufen pulverisiert, Theologinnen und Theologen wissen das. Der Papst gewiss auch. Abgesehen davon: mit Riesenschritten nähert sich die Kirche wieder dem Weihnachtsfest, also dem Fest, in dem gefeiert wird, dass Gottes Wort in diese Welt kommt. Wenn man den Gedanken der Inkarnation jedoch zu Ende denkt, bedeutet die Geburt des Gotteswortes eine Geburt in diese Welt mit allen Konsequenzen. Es ist das Zurweltkommen Gottes ohne Wenn und Aber - und damit doch wohl auch ohne Geschlechtergrenzen. Inkarnation bedeutet: Entweder ganz und gar - oder überhaupt nicht.
Als ich am vergangenen Freitag mit Eva Müller und Georg Bier in der Karl-Rahner-Akademie das Buch "Richter Gottes" vorgestellt habe, blieb da ein ganz dumpfer Eindruck: Wie wir mit der Frage nach Scheidung und Wiederheirat in der katholischen Kirche eine bizarre Diskussion in einer Parallelwelt führen, die für Menschen von außerhalb mindestens erstaunlich, vor allem aber völlig unzugänglich ist, weil sie sie nicht verstehen, weil sie sie nicht betrifft. "Und um uns herum steht die Welt in Flammen", dachte ich auf der Bühne auf einmal. Und wir sind nicht in der Lage, mit der Welt die wichtigen Fragen zu besprechen, von denen es so furchtbar viele gibt. Weil wir unsere Zeit mit der Diskussion über "Impotenzparagraphen", "Teilsimulation" oder der Suche nach "Formfehlern" verbringen. Weil das immer schon so war. Weil wir da nichts machen können. Wie ein Gott, der um sich selbst kreist. Inkarnation: Fehlanzeige.
Bob Dylan hat 1965 einfach den Stecker reingesteckt, ansonsten geschwiegen und einfach losgespielt. Vielleicht begreifen Künstler eher als Kirchenleute, was Inkarnation bedeutet, wenn sie in der Sprache der Musik zur Welt kommen wollen: unendliche Weiten. Damit hat Dylan die Musikwelt verändert - und nicht zu ihrem Schlechtesten. Am 10. Dezember bekommt er den Literaturnobelpreis.
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