Foto: Peter Otten |
Wachsende Kirche, missionarische Gemeinde
– wer erfindet so was? In der Bibel steht es nicht.
Ein Gastbeitrag von Franz Scharfenberg
Zur Diskussion um den Brief von Pfarrer Thomas Frings und
die Stellungnahme von Peter Otten möchte ich ein wenig beitragen. Schon mal
vorab: Um meinen Kollegen Thomas Frings tut es mir sehr leid. Schade bei so viel
Schönem in unserem Beruf.
Peter Otten macht immerhin klar, dass von den Mitgliedern
einer Pfarrei nicht erwartet werden darf, dass sie zu 100% bewusste, aktive
Glaubende seien. Sie gehen aus einer Pfarrei hervor, weil nun mal jeder in
einer Pfarrei von der Taufe an dokumentiert wird.
Ich bin meiner Familie, meinem Heimatpfarrer, meinen Lehrern
und Spiritualen von Herzen dankbar, dass sie mir immer wieder reinen Wein
eingeschenkt haben: Macht euch nichts vor mit Religionsunterricht und all den
Aktionen. Macht euch nichts vor mit den Festen und Feiern. Die Menschen nehmen
das mit. Dass sie hin und wieder austreten, besagt nichts über ihren Glauben.
Es ist sowieso ein typisch deutsches Kuriosum in der Weltkirche: Die Taufe
selber bleibt ja, also auch die Zugehörigkeit zum Leib Christi, zum geistlichen
Bauwerk – wie soll man also diesen organisatorischen Coup geistlich angemessen
bewerten? Man kann ihn nur ignorieren. Auch auf die Folgen machte man uns
aufmerksam: Das ist menschlich nicht leicht zu verkraften, Scheitern und Resignieren gehört zum persönlichen Gefährdungspotential. Das hat man uns ins
Gesicht gesagt, mehrfach und immer wieder! Danke für diese Ehrlichkeit. All die pastoralen Konzepte, die wir in die Hand bekamen,
rangen mir nur ein müdes Lächeln ab. Wachsende Kirche, missionarische Gemeinde
– wer erfindet so was? In der Bibel steht es nicht. „Fürchte dich nicht, du
kleine Herde“ sagt Jesus und lässt die Leute reihenweise laufen: den reichen
Jüngling, der nicht verkaufen will, den Prediger, der ihm nicht nachfolgen
will, die eigenen Leute, die nach der Brotrede sagen, sie sei hart. „Wollt auch
ihr gehen?“ So muss man Mission machen, alles andere wäre Rattenfängerei.
Caritas ist beispielsweise zunächst einfach Wohlfahrtspflege: So ist sie erfunden und so muss sie
betrieben werden. Hier kann man doch nicht die ideologischen Prämissen vor die
menschlichen setzen.
Die Servicekirche, wie Peter Otten es nennt, schaut den
Realitäten ins Gesicht. Sie nimmt den Menschen für voll: in ihr sind die
Menschen nicht Objekt meiner Mission, meiner Predigt, meiner
Versorgungsmentalität, meines Rettersyndroms und meiner Führung. Menschen sind
Subjekte, und sie sind sehr verschieden. Eine große Zahl beschränkt sich auf einen gewissen
Mindeststandard im Service: Sie empfangen die Grundsakramente, bleiben in der
Kirche und lassen sich nie blicken. Gut so. Sie sind erwachsen. Sie wissen, was
sie tun. Zu gegebener Zeit kommt der eine oder andere aus dieser Klientel, sehr
zu meiner Verwunderung oft mit einem überzeugenden Glauben, zum Beispiel mit Ideen zu einer
Festgestaltung, die gesucht und gut überlegt sind und die ich so einem früher
verächtlich als „abständig“ verschrienen nicht zugetraut hätte. Dann brauchen
sie gar nicht so sehr meinen Service sondern „servieren“ mir selber. Alle
Achtung. Die machen mir Freude. Einige, nicht alle. Aber man sollte sie nicht
gleich verachten und aus dem Blick verlieren
Und dieser Grundservice ist nun mal nötig. Auch
ich wurde als Kind getauft, zur Erstkommunion geführt und „abgefirmt“. Das
wars. Dass es irgendwann „Zoom“ gemacht hat, daran haben viele eine Aktie.
Mein Bruder in demselben sozialen Umfeld entschied sich anders. Gut so. Wir
verstehen uns, er ist ein wundervoller Mensch. Er soll auch über mich als
Mensch nicht klagen können. Und alle müssen zunächst durch den Service.
Ich wollte geistlich gefördert und gefordert werden. Also
suchte ich mir eine geistliche Gemeinschaft. Sie sollte mich „halten“, nicht
das Presbyterium, wie manche irrigerweise meinten, auch nicht die Pfarrei, von
der behauptet wurde, ich sei mit ihr „verheiratet“. Dazu tue ich noch einiges
im meinem Leben, was hoffentlich eine Altersresignation verhindert. Ich erlebte
doch schon vor vierzig Jahren resignierte Pfarrer. Nein, so wollte ich nicht
werden! Es war nicht bitter, sie anzuhören, ihre Resignation zu akzeptieren.
Sie waren nun mal so. Nein, es war bitter, ihnen nicht widersprechen zu können.
Sie hatten gute Argumente, sehr gute, die besten. Aber sie hatten nicht Recht.
Deshalb widerspreche ich auch nicht meinem Kollegen Thomas Frings. Ich lege
meine Ausführungen neben seine. Mögen andere urteilen.
Franz Scharfenberg ist Pfarrer in der katholischen Pfarrgemeinde St. Gertrud in Leipzig - Engeldorf. Seine Zuschrift geben wir hier in gekürzter Form wieder.
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