Montag, 25. Mai 2015

Spargel mit Orange

Ein pfingstlicher Kommentar zu einem absurden Vergleich in der Kölner Kirchenzeitung.

Von Norbert Bauer


In der Zwischenzeit  hat
sich die Kirchenzeitung nach Angeben des KSTA für den Artikel entschuldigt und den entsprechenden Beitrag von ihrer Homepage entfernt.

Es war ein schöner Abend. Geradezu pfingstlich. Es saßen Menschen bei uns am Tisch, die bisher noch nicht zusammen gesessen hatten. Sie verstanden sich auf Anhieb, obwohl sie aus den unterschiedlichsten Teilen der Republik stammen. Es waren zwar keine Parther, Meder und Elamiter anwesend, dafür aber Veganer, Pescetarier, Flexitarier. Zusätzlich zeigten die unterschiedlichsten Professionen (Kultur, Kirche und Karosserie) und die biographisch bedingten Erfahrungsdifferenzen beim European Song Contest (wie alt warst du bei „Ein bisschen Frieden“?) auch an diesem Abend, wie Vielfalt das Leben bereichert. Und die dargereichten Speisen demonstrierten: manchmal wächst zusammen, was erst mal nicht zusammengehört, wie z.B. Spargel und Orangen. Es wurde sogar am Abend eindrucksvoll das alte Dogma widerlegt, dass Riesling und Spargel sich nicht vertragen. Spontanvergorene Moselrieslinge harmonieren besser mit Spargel als jeder Silvaner. Die Zutaten waren also präsent, um die Tagesthemen Bundesligafinale, Kita-Streik und „Irland hat abgestimmt“ mit der notwendigen Pluralität zu diskutieren. Beim letzten Thema, der Zustimmung des katholischen Irlands zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften brachte einer der Anwesenden noch eine Außenperspektive mit ein: Den Kommentar der Kölner Kirchenzeitung zu einem anderen aktuellen katholischen Aufreger, bei dem der Autor Homosexualität und Ladendiebstahl miteinander vergleicht.


Was in der abendlichen Runde noch mit Heiterkeit als Absurdität abgehakt wurde, entpuppte sich bei der Lektüre am Morgen als nüchterne Realität. Tatsächlich stellt der Leitartikler eine Analogie zwischen einem Dieb und einem schwul lebenden Menschen her. Wo der Vergleichspunkt sei, mögen Sie sich fragen. Der ist ganz einfach: beides seien gesellschaftliche Realitäten! Und genau wie das ZdK jetzt die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften fordere, könne folgerichtig – so der Autor Siebert Klein mit seiner ganz eigenen Logik - auch gefordert werden, dass "Diebstahl nicht mehr bestraft wird und dass die Täter zu loben sind."  

Mir fällt es schwer, Menschen zu verstehen, die sich gegen die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in Gesellschaft und Kirche auszusprechen. Ich versuche sie aber zu tolerieren, akzeptiert Toleranz doch Positionen, die man selbst ablehnt. Ich kann aber keine Toleranz dafür aufbringen, wenn jemand eine Analogie formuliert, bei der Homosexualität und Ladendiebstahl in einen Topf geworfen wird. Diebstahl und Einbruch ist eine Straftat, die in schweren Fällen mit Gefängnisstrafe geahndet wird. Es ist noch nicht einmal 50 Jahre her, dass in Deutschland das Parlament die Strafbarkeit der Homosexualität aus dem Strafgesetzbuchngestrichen hat. Und erst 1994 wurde der ganze § 175 entfernt. Aber heute sitzen  in vielen Ländern noch Menschen in Gefängnissen, verurteilt wegen ihrer sexuellen Neigung. Nicht wenige müssen gar mit der Todesstrafe rechnen. Nicht zuletzt deswegen kann ich für solche Vergleiche kein Verständnis aufbringen, auch an Pfingsten nicht.

1 Kommentar:

  1. Es ist aber schon eine ziemlich rechtspositivistische Einstellung, wenn man die Frage, ob etwas eine Straftat ist, auf das Vorhandensein eines entsprechenden Strafrechtsparagraphen reduziert.
    Wer so denkt, der kann tatsächlich sagen:
    Früher war Homosexualität eine Straftat. Dann wurde §175 gestrichen und es ist keine Straftat mehr.
    Heute ist Diebstahl eine Straftat. Streichen wie §242 und Diebstahl ist es keine Straftat mehr.

    Gesetzbücher sind nicht selbstbegründend. Sie fußen auf einer tiefer liegenden Rechtsphilosphie in der es um die Begründung von Recht geht.
    Da muß man ansetzen und Fragen: Kann ich begründen ob Diebstahl verwerflich ist? Kann ich begründen ob Homosexualität verwerflich ist?
    Kann ich es begünden, dann kann man es gesetzlich verbieten; kann ich es nicht begründen, gibt es keinen Grund für ein Verbot.

    Der Autor Siebert Klein warf mit dem Artikel auch die wichtigen Fragen auf: Wie gehe ich mit Realitäten um? Sind die Realitäten normativ?
    Er hat richtig gesehen, daß das »ZdK« offenbar die Auffassung hat, daß sie in manchen Bereichen normativ sind.
    Diese Auffassung kann man zurecht kritisieren.

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