Mittwoch, 8. April 2015

Kirschen


Screenshot: Peter Otten
Es ist schön, wenn Hoffnung mal ein scheues Gefühl bleiben darf. Über ein Erlebnis am Gründonnerstag.

Von Peter Otten

Zugegeben: Ich habe von Nils Koppruch bis vor ein paar Monaten nichts gewusst. Er war ein Maler, vor allem aber auch ein Musiker, ein begnadeter Singer und Songwriter aus Hamburg. War – denn er ist vor fast drei Jahren gestorben, Herzmuskelentzündung. Da war er erst 46 Jahre alt. Wer im Internet nach Fotos googelt, blickt in zurückhaltende, freundliche und ein wenig unergründliche Augen hinter einem dunklen Vorhang von Haaren.


Oft ist es gut, wenn ein Musiker einen schon sein Leben lang begleitet, wenn man jede Platte im Regal stehen hat und viele Texte mitsprechen kann, weil man sie an langen Abenden rauf und runter ausgelegt hat. Nehmen wir Van Morrisons „The Philosophers Stone“ oder Morrisseys „Kick the Bride down the Aisle“. Aber manchmal stolpert man einfach über Musik und den Menschen, der sie macht und der einem total unbekannt ist. Ich weiß nicht mehr, wie ich auf Nils Koppruch kam, irgendwann lief auf Youtube jedenfalls sein Video „Kirschen“. Selten ein Stück Musik gehört, in dem Lakonie, Melancholie und eine scheue Zuwendung zum Leben eine gelungenere Melange eingehen. Ein Stück nebelige Hoffnung. Aber eben doch Hoffnung. Schaut´s euch einfach selbst an. Im Video geht es um Kirschen, um ein Loch in einem Park, das auch ein Grab sein könnte und um einen Kirschbaum, den am Ende ein Vater mit seinem Sohn und einer Gießkanne wässert. „Jeder Tag ruft deinen Namen, ich wünsch Glück an allen Tagen, nichts ist besser als ´ne Liebe auf der Welt“, singt Koppruch, während im Hintergrund eine Steelguitar still wimmert. „Kirschen gibt's an Sommertagen nur solang die Bäume tragen. Und lebend gehen wir nicht mehr aus der Welt.“

Wir spielten das Video am Gründonnerstag am Ende der Messe mit Jugendlichen in der Galerie von Sebastian Linnerz und mussten gar nicht viel dazu sagen, warum wir das taten. Meistens, erst Recht beim Versuch, an Gott zu glauben, hilft nicht „wissen“ sondern einfach „erzählen.“

In seinem Stück „Eckensteher“ dichtete Koppruch:

„Und ich denk an all die Ecken, wenn's zu Ende geht, 

an all die Ecken, wo ich schon mal stand. 
Und ich denk an all die Straßen, die ich runterging, 
und an all die Ecken, die ich dann noch fand. 
Und jetzt wart ich auf meinen letzten Atemzug, 
und dass ich noch zum letzten Mal sag: 
Lass mal noch ´ne Ecke weitergehen. 
Irgendwann kommen die Anderen nach.“

Es ist schön, wenn jemand mal nicht „Hoffnung“ sagt und dann doch bloß „Gewissheit“ meint. Ist Hoffnung nicht eigentlich immer ein scheues Gefühl? Und doch gerade deswegen schön, wie eine kleine Tüte voller Kirschen.

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