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| Foto: Peter Otten |
Wer vor der Gewalt und ihrem Schrecken nicht ausweicht, wird erwachsen.
Karfreitagsgedanken von
Peter Otten
1. Der Tag der Gewalt
Heute machen Christinnen und Christen etwas Merkwürdiges. Sie erheben einen Tag zu einem Feiertag, an dem es um Gewalt geht. Um Verrat, um Folter, um ein ungerechtes Urteil, um Verhöhnung, um ein unfassbar grausames Sterben. Was gibt es an der Gewalt, an dessen Ende der Tod steht zu feiern? Ist das nicht ein zutiefst zynisches Spiel?
Wir Christen wissen, dass der Evangelist Johannes sein Evangelium und somit auch die Passion Jesu aus der Erfahrung von Ostern geschrieben hat. Die Evangelien enden mit den Geschichten, wie der Auferstandene seinen Jüngerinnen und Jüngern in ihrer tiefen Trauer und inmitten ihres Gefühl völliger Aussichtslosigkeit begegnet. Ihnen gar hinterher geht, sie dort aufsucht, wo sie das, was sie nicht erklären können zu verarbeiten versuchen. Das ist die Perspektive der Evagelisten, die sie zu unserer Perspektive machen möchten: am Ende wird alles gut; rätselhaft zwar und ein bisschen wunderlich und völlig anders als vorher, aber es wird alles gut.
Das ist die Perspektive von gläubigen Menschen, und sie kann die Menschen, die sie anzunehmen vermögen das, was wir heute gehört haben erträglich machen und trösten. Das ist nicht wenig, Erträglichkeit und Trost. Es kann die Gewalt des Karfreitags und seinen Schrecken zu einer Hoffnungsbotschaft machen. Das ist sehr viel, unerwartet viel. Aber wir sollten uns nicht vorschnell damit zufrieden geben, das Karfreitag und Ostern, die Gewalt und das Ende der Gewalt, der Schrecken und der Sieg über den Schrecken zusammen gehören. Es kann zu einer zynischen Schieflage führen: die Gewalt des Karfreitags wäre dann eine Art zu akzeptierender Bodensatz auf dem Weg in die Herrlichkeit des Osterfestes. Der Mensch bräuchte dann die Dunkelheit, das Abgründige, damit sich das Helle von ihr um so grandioser absetzen kann. Es geht am Ende gut aus. Aber rechtfertigt das Gute die Gewalt? Wir Christen glauben ja, dass mit Tod und Auferstehung die Erlösung kommt. Aber Erlösung kommt in der Spur der Gewalt daher. Darüber ist nicht leicht hinwegzugehen.