Cover Single "Im Zweifel für den Zweifel" |
Von Norbert Bauer
Beim ökumenischen Kirchentag in München vor vier Jahren wurde Podiumsdiskussion angesetzt, die sich der Herausforderung stellte, wie wir heute angemessen von Gott reden können. An einen Diskussionsbeitrag kann ich mich noch gut erinnern. Der Schriftsteller und Theologe Christian Lehnert berichtete von einem Besuch mit dem Komponisten Hans Werner Henze in einem Gottesdienst. Beim Rausgehen meinte der Musiker zum Theologen: „Ihr tut immer so, als hättet ihr etwas von Gott verstanden.“
Was für eine kluge Beobachtung. Dabei wissen wir so wenig über Gott. Keiner müsste das besser wissen, als wir Theologen, was ja eigentlich ein Paradox ist, denn in dem Wort Theologie steckt ja genau das drin: Die Theologen sind die, die für Gott - „Theos“ –Worte - „Logoi“- haben sollten. Wir Theologen müssten am besten wissen, wie unsicher immer eine Rede von Gott ist, haben wir doch alle einer der wichtigsten Lehren der Dogmengeschichte gelernt: „Zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf kann man keine so große Ähnlichkeit feststellen, daß zwischen ihnen keine noch größere Unähnlichkeit festzustellen wäre.“ Dieser Satz vom IV Laterankonzil aus dem 13. Jh, ist das Vorzeichen vor jedes Gottesrede. Wenn wir von Gott reden, müssen wir uns bewusst sein, dass wir mit unseren Worten über Gott und von Gott immer auch daneben liegen können, dass unsere menschlichen Worte für Gott ihm unähnlicher sind, als ähnlich. Dies ist jetzt kein Geheimwissen für uns Theologen, es ist die Richtschnur für jeden Katholiken, steht dieser Satz ja auch im katholischen Katechismus. Ich bin immer skeptisch, wenn Menschen sagen, sie hätten Gott verstanden. Ebenso skeptisch bin ich, wenn Menschen vorgeben, sie wüssten genau, was Gottes Wille ist.
Skeptisch bin ich daher weiterhin, wenn behauptet wird, Frauen könnten keine Priesterinnen werden und die Begründung auch noch lautet: Wir dürfen Frauen nicht zu Priesterinnnen weihen, weil Gott das nicht will. „Der Ausschluß von Frauen vom Priesteramt steht in Übereinstimmung mit Gottes Plan für seine Kirche".(Ordinatio sacerdotalis) Woher wollen wir wissen, dass es tatsächlich Gottes Plan bzw Wille ist, dass Frauen keine Priesterinnen werden können?
Einer der ersten Theologen, die wir kennen, ist sich der Unschärfe der Gottesrede bewusst gewesen: der Apostel Paulus. In seinen Briefen, die er an die unterschiedlichen Gemeinden geschickt hat schreibt er viel über Gott. Aber ab und zu scheint er mit dem Schreiben inne zu halten und sich zu bremsen. „Hier spricht jemand von Herzen, überstürzt und wie ins unreine, er korrigiert sich und treibt dann alles ins unreine weiter.“ (Christian Lehnert) So wie eben im vorgetragenen Römerbrief. „Denn wer hat die Gedanken des Herrn gekannt? Wie unergründlich sind seine Wege?“Röm 11,33 In diesem Text gibt es mehr Fragen als Aussagesätze. Es lohnt sich bei der Bibellektüre darauf zu achten, wie oft in der Bibel Fragen gestellt werden, und dass längst nicht alle beantwortet werden. So lässt Jesus Pilatus mit seiner Frage: „Was ist Wahrheit?“ einfach alleine zurück. Und die quälende Frage Jesu am Kreuz: „Warum hast Du mich verlassen?“ bleibt auch ohne Antwort.
Als ich mich nach meinen Theologiestudium in Frankfurt und Bonn beim Erzbistum Köln bewarb, musste ich mein Selbstverständnis für diesen Beruf formulieren. Damals schrieb ich, dass ich meine Aufgabe nicht darin sehen würde, den Menschen in den Pfarrgemeinden Antworten vorzulegen, sondern vielmehr zusammen mit ihnen die Frage nach Gott zu stellen und offen zu halten. Das ist bis heute meine Überzeugung geblieben und ich hoffe, das war auch in den letzten vierzehn Jahren meines Wirkens hier vor Ort spürbar. Ich habe versucht, mein Handeln vor Gott, mein Reden vor Gott immer als Fragender zu tun. Mein Glaube an Gott stellt mich immer wieder vor neue Fragen: als Mensch, als Christ - aber besonders auch als Theologe. Ich bin davon überzeugt, dass wir diese Fragen stellen und immer wieder neue Antworten suchen müssen.
Manchmal müssen wir auch aushalten, dass wir keine Antwort auf unsere Fragen finden. Dann kommt der Zweifel zu seinem Recht. Ohne Zweifel droht Glaube immer in Fundamentalismus zu kippen. „Im Zweifel für den Zweifel“ hat die Hamburger Pop Band Tocotronic diese manchmal anstrengende Grundhaltung beschrieben.
In den zurückliegenden Jahren habe ich mich immer dafür eingesetzt, dass St. Agnes und auch St. Gertrud ein Ort für Kunst und Kultur ist. Zusammen mit dem Literaturkreis und dem Kunstkreis habe ich nie darauf geachtet, ob der Schriftsteller oder die Künstlerin fromm ist. Das war nicht unser Kriterium. Ein Grund dafür liegt in meiner Grundüberzeugung von der Gottesrede. Wir Christen, wir, die wir glauben können, dürfen nicht unter uns bleiben. Wir dürfen uns nicht mit unseren Gewissheiten und unseren Gewohnheiten einigeln, denn sonst laufen wir Gefahr, dass unsere Rede von Gott zu klein wird, zu routiniert. Unser Reden und Denken von Gott muss ab und zu verunsichert werden – so können wir seiner Größe gerecht werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen