Montag, 6. Januar 2014

Das weihnachtliche Reinheitsgebot

Die echten drei Könige! Foto: Norbert Bauer
Eine Warnung an FDP-Politiker und Sternsinger

Von Norbert Bauer

„Stellen Sie sich vor, die Religionslehrerin hat in der Schule gesagt, das Christkind würde gar nicht die Geschenke bringen“ empörte sich vor kurzem eine Mutter bei mir. Ihre achtjährige Tochter kam weinend und verwirrt nach Hause und brachte ihre Mutter in Erklärungsnot. Dabei beteiligt sich die Lehrerin wohl nur am Kampf um das weihnachtliche Reinheitsgebot. Weihnachtsmänner und Laternenfeste müssen ab sofort als kommerzielle oder multikulturelle Verführungen entlarvt werden. Vielleicht ist die Religionspädagogin dabei nur dem Rat des zuständigen Professors gefolgt, der davon überzeugt ist, dass „Heiligabend ohne Christkind pädagogisch wertvoll“ ist. Jetzt muss der Abend nicht nur heilig, sondern auch noch pädagogisch wertvoll sein, denke ich bei der Überschrift und bin auf die Begründung von Professor Biesinger gespannt: „Sonst wird ein Kind belogen und denkt sich später: Wenn das mit dem Christkind nicht stimmt, dann ist auch alles andere eine Lüge und Gott gibt es auch nicht.“ Ich frage meinen Vater, einen pensionierten Religionslehrer, wer denn bei uns damals die Geschenke unter den Weihnachtsbaum gelegt hat. Antwort: das Christkind. Trotzdem war ich weder in meinem Glauben an Gott noch im Vertrauen an die Eltern erschüttert, als ich irgendwann merkte, dass Omas, Tanten und Eltern aktiver an den Weihnachtsgeschenken beteiligt waren als das Christkind.

 
Heute ist Dreikönigstag. In den letzten Tagen sind zahlreiche Kinder als Könige von Haus zu Haus gezogen, in Bayern und Baden-Württemberg ist Feiertag, die Mitarbeiter des Kölner Generalvikariats haben frei und die FDP trifft sich zum Mutmachen. Und in Spanien werden die Geschenke ausgepackt, denn hier bringen die drei Könige nicht nur dem Jesuskind Myrrhe Weihrauch und Gold, sondern auch den Kindern die Geschenke. Leider suche ich vergeblich nach religionspädagogisch wertvollen Beiträge, die vor diesen Umtrieben warnen, denn, liebe Sternsinger und FDP Politiker: die Heiligen Drei Könige hat es so nicht gegeben, oder um es mit dem Lexikon für Theologie und Kirche diplomatischer auszudrücken: „Die Historizität der Magiergeschichte wird heute kaum noch behauptet!“ In aller Kürze: der Bericht von den Magiern bei Matthäus 2 kann nur als eine an eine jüdische Midrasch angelehnte literarische Gattung gelesen werden, ab dem 4. Jh wurden aus den erwähnten Magiern Könige, ab dem 9. Jahrhundert bekamen die Könige ihre berühmten Namen, ab dem 16. Jh. zogen erwerbslose Handwerksburschen mit einem Bettelsack als Könige durch die Straßen (- wahrscheinlich der direkte Vorläufer des jährlichen FDP Treffens).

Warum ich das alles aufzähle? Als Kind bin ich natürlich auch als König verkleideter Sternsinger von Haus zu Haus gezogen und war davon überzeugt, dass ich einen echten König nachspiele. Und mein Glaube an Gott wurde nicht zertrümmert, als ich in der Bibel gar nichts von Caspar, Melchior und Balthasar lesen konnte, ebenso wenig wie ich meinen Glauben verlor, als das Christkind nicht mehr kam. 1162 bemächtige sich Friedrich Barbarossa nach der Zerstörung Mailands der dort gefundenen Reliquien und brachte sie nach Köln, eigentlich eine Form von Beutekunst, aber das ist eine andere Geschichte. Interessant ist hier: Die Frage nach der Echtheit stellte sich im Mittelalter nicht. „Das Faktum der Verehrung zählte“ (LTHK). Heute muss hingegen alles echt sein: echter Nikolaus, echter Martinszug. Dabei handelt es sich auch nur um eine behauptete Echtheit. Natürlich hat der Hl. Nikolaus als Bischof aus dem 3. Jh. nicht so ausgesehen, wie der heute „echte“ Nikolaus als barocker Bischof aus fair gehandelter Schokolade. Und natürlich waren die bei Matthäus aufgeführten Magier nicht die Könige mit den Namen Caspar, Melchior und Balthasar. Trotzdem ist es gut, wenn heute Kinder als diese Spenden für Kinder sammeln, denen es nicht so gut geht. Ich weiß nicht, wie man pädagogisch korrekt Weihnachten feiert. Eltern und Kinder haben dafür miteinander meist ein gutes Gespür. Ich weiß aber, dass der Blick auf die eigene Überlieferungsgeschichte den aktuellen Drang nach der Definitionshoheit über das wahre und echte Weihnachtsfest abmildern kann. Das Christkind darf ruhig das Christkind bleiben, zumindest solange die Eltern noch dran glauben.

4 Kommentare:

  1. Die Ausführungen des folgenden Artikels wecken in mir den Zweifel, ob Herr Biesinger nicht doch Recht hat ;-) Und diese Haltung bestimmten biblischen Texten gegenüber wirkt sich leider sehr stark auch auf die katholische Lehre aus!

    http://www.merkur-online.de/aktuelles/welt/michael-hesemann-weihnachtsgeschichte-wirklich-geschah-zr-2676349.html

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  2. Danke für den Hinweis. Die Thesen Michael Hesemanns zur Historizität der Weihnachtsgeschichte sind ebenso bahnbrechend wie seine Beiträge zur Ufo-Forschung.

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  3. Nicht zu vergessen die Erkenntnisse zum Turiner Grabtuch.

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  4. Herr Lindner von der FDP hat heute morgen in meiner Zeitung, die zu lesen ich mich leider dienstlich verpflichtet fühle, in einem Interview auf die Frage, ob sich Sternsinger das Gesicht schwärzen dürften, um an König Caspar zu erinnern, geantwortet:
    "Eine bunter werdende Gesellschaft sollte Gelassenheit haben. Da wird nur an eine historische Tatsache erinnert."
    Wer klärt ihn ohne bleibende Schäden zu hinterlassen auf, dass König Caspar weder ein König noch schwarz war und überhaupt nicht Caspar hiess, falls es ihn gab?

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