Heiliger Hafen Ehe? Foto: Norbert Bauer |
Von Norbert Bauer
Ich wurde schon lange nicht mehr angerufen und nach meiner Meinung gefragt. Zu unwirsch habe ich wohl die letzten freundlichen Versuche, meine Meinung für eine repräsentative Studie zur Verfügung zu stellen abgewiegelt. Ich wollte mich nicht mehr äußern zu schwarz-grünen Koalitionsideen, zum Urlaubsland Deutschland oder zur veganen Lebensweise. So mussten die jüngsten Politikbarometer und Sonntagsfragen ohne meine Einschätzungen auskommen.
In den letzten Tagen bin ich aber nicht vom Telefon weggegangen, las ich doch in der ZEIT: „Papst startet Meinungsumfrage“. Auf keinem Fall wollte ich den Anruf aus dem römisch-katholischen Call-Center verpassen, denn so die SZ: „Vatikan fragt Katholiken nach Meinung“ und zwar zu Ehe und Familie.
Leider hat bisher niemand angerufen. Und nachdem ich den inzwischen online zugänglichen Fragebogen gelesen habe, bin ich mir auch sicher: ich werde nicht aktiver Beteiligter eines innovativen katholischen Meinungsbildungsprozesses. Denn was in den Medien schon euphorisch als Meinungsumfrage bezeichnet wird, stellt sich bei kurzer Betrachtung nur als katholischer Realitäts-Check heraus. Der an alle Bistümer verschickte Fragebogen will gar nicht wissen, was meine Meinung z.B. zum Thema „Empfängnisverhütung“ ist, sondern vielmehr ob die Lehren der Kirche in diesem Bereich eingehalten werden: „Wie steht es um die wirkliche Kenntnis der Gläubigen in Bezug auf die Lehre von Humanae vitae über die verantwortliche Elternschaft?“
Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger überrascht mich dies.
Gibt eine Firma bei einem Meinungsforschungsinstitut eine Umfrage in Auftrag, will sie die Marktfähigkeit ihrer Produkte überprüfen, um diese den Wünschen und Bedürfnissen der Verbraucher anzupassen. VW konstruiert dann Fahrzeuge mit weniger Benzinverbrauch, Adidas Joggingschuhe mit weniger leuchtenden Farben und Sony Fernseher mit noch größerer Bildschirmdiagonale. So ein Denken ist bei der katholischen Kirche nicht möglich, denn das Produkt, ihre Lehre, ist nach ihrem Selbstverständnis schon immer gut gewesen. So auch die kirchliche Lehre von der Ehe. Daher lautet das im Vorspann des Fragebogens formulierte Ziel für die anstehende Bischofssynode auch schlicht. „Die Lehre des Glaubens in Bezug auf die Ehe muss wirksam und kommunikativ vorgelegt werden.“ Und nicht etwa: Wie kann die Lehre der Kirche den Herausforderungen der Zeit angepasst werden? Es geht also um die Optimierung der Vermittlung, nicht um die Lehre selbst. Der Budapester Kardinal Peter Erdö stellte daher auch bei Präsentation des Fragebogens gleich fest: "Die anstehenden Synoden wollten keinesfalls zentrale Aussagen der katholischen Lehre infrage stellen." Daher muss ich auch gar nicht enttäuscht sein, dass mich in dem letzten Tagen kein Anruf aus dem Vatikan oder von der Deutschen Bischofskonferenz erreicht hat, denn meine Meinung zu der Lehre ist gar nicht gefragt, sondern nur meine Einschätzung, ob die Lehre noch Akzeptanz findet. Sich dieser Realität zu stellen, ist für die Kirche schon ein großer Schritt nach vorne.
Wenn bei mir schon nicht das Telefon klingelt, würde ich gerne in Rom anrufen und mit den Autoren (und Autorinnen?) des vatikanischen Fragebogens sprechen, denn dieser wirft bei mir wiederum eine Menge Fragen auf. Ich würde z.B. gerne wissen, was mit „Formen des der Kirche feindlich gesinnten Feminismus“ gemeint ist. Oder auch, was ich mir unter „relativistischem Pluralismus“ bzw. „irregulären Ehesituationen“ vorstellen muss. Aber vielleicht muss ich dafür gar nicht zum Hörer greifen: sicher können die Leserinnen und Leser dieses Blogs da Auskunft geben.
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