Freitag, 1. November 2013

Himmelsstürmer

Screenshot: Peter Otten
Allerheiligen ist das Fest, an dem Himmel und Erde ineinanderwachsen.

Ein Gastbeitrag von Marcus Tannebaum

Allerheiligen kommt im Kalender nach dem Reformationstag, der die Gestalt der Kirche verändert hat. Am Vorabend von Allerheiligen hat Martin Luther seine Thesen veröffentlicht und Veränderung ins Gespräch gebracht: Für die Kirche, die der Ort sein soll – und viele Menschen würden bestätigen, dass er´s sein kann – in dem Menschen Glaube, Hoffnung und Liebe teilen. In Stankt Augustin-Hangelar gestaltet das engagierte Team der Katholischen Öffentlichen Bücherei die Buchwoche unter dem Eindruck der Ausstellung „Himmelsstürmer“ von Christa Rolenc. Himmelsstürmer – Grenzgänger – sind häufig auch die Heiligen, die wir an Allerheiligen feiern.

Oft wurde von der Sehnsucht in den Himmel zu kommen gesungen oder gesprochen. Katholiken feiern die Gemeinschaft der Heiligen. Das sind die, von denen sie glauben, dass sie das in ihrem Leben und Sterben erreicht haben: Ganz bei Gott zu sein. In der Kirche St. Anna findet sich eine Installation von Christa Rolenc mit dem Titel „Begegnung 2013“ – Gesichtsprofile in Balsaholz. Den Betrachtenden steht es offen, diese vielfachen Menschen in reale oder himmlische Zusammenhänge zu übertragen.

Was bedeutet Menschen heute der Himmel? Keine einfache Frage. Welchen Stellenwert hat die Aussicht auf einen Platz im Himmel für den modernen globalisierten Menschen, der doch schon in die tiefsten Tiefen und in die höchsten Höhen und durch Wolken und über das Internet überallhin schaut? Und wie soll das aussehen, im Himmel und bei Gott zu sein? In der "Zeit" fand ich eine beeindruckende Reportage über Trauerbewältigung junger Menschen.  Für die muss der Himmel ein Ort mit guter Internetverbindung sein. Es sind früher wie heute bei Jung und Alt vielleicht die gleichen menschlichen Erfahrungen, die zu Gedanken führen wie: "Wir fühlen uns manchmal allein gelassen – und möchten doch auch in den Himmel kommen" (H. D. Hüsch). Einsamkeit und zugleich Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach Erfüllung. Staunend beobachtend die Wirklichkeit, in tausend Farben und tausend Worten die vielfachen Menschen. Christen möchten wohl Kinder Gottes sein, wie es die Bibel formuliert. Müssen Christen dann auch Fremde für die Welt sein? Bemitleidenswerte Idealisten, die für andere unverständlich von Versöhnung und gelingendem Zusammenleben  sprechen? Ist Gott ein Fremder für diese Welt? Oder lässt er seine Hand berühren? Wer diesen Glauben hat, der ahnt den blauen Himmel hinter allen dunklen Wolken. Der Himmel ist mehr als die azurblaue Fläche – da haben andere Sprachen uns etwas voraus, wenn sie das im Ausdruck unterscheiden.


Heilige sind manchmal wie ein Fenster zu diesem Himmel. Sie zeigen uns Wege, die nahe zu Gott führen. Papst Benedikt hat gesagt, dass es so viele Wege zu Gott gibt, wie es Menschen gibt. In Gottes Plan hat jeder Mensch seinen Platz, an dem er mitwirken kann für das Heil der Welt sagte ein anderer Theologe. Himmelstürmer kann jeder werden, auch wenn die eigenen Grenzen und Vorstellungen bei jedem anders liegen. Im Evangelium  nennt Jesus neue Maßstäbe, die auch für uns heute gelten. Auch wenn wir diese Geschichte schon oft gehört und vielleicht gerade an sie gedacht haben, wenn uns manchmal zumute war als wirkten wir wie Fremde in der Welt - wir müssen es immer wieder neu hören, was Jesus auf dem Berg sagt:  dass Friedfertige glücklich werden, selig werden. Und dass ein reines Herz zu haben eine Herausforderung ist. Dass wir aber genau das brauchen, um Kinder Gottes zu sein. Dass wir letztlich schon ein bisschen in den Himmel hineinwachsen, das meint die Geschichte von den Seligpreisungen, und das meint das Fest Allerheiligen; und dass dadurch schon ganz schön viel von der himmlischen Herrlichkeit auf die Erde hinunterwächst. Diesen Gedanken hat vor Jahren Hanns Dieter Hüsch in einen beeindruckenden Text gefasst:


In Gottes Hand


Im übrigen meine ich,
daß Gott der Herr Jedem die Gabe gebe 
Zu erzählen von den Dingen des Lebens 
Von den Verhältnissen unter den vielen Menschen 
Von den Geschichten in den Verschiedenen Welten

Daß er allen die Gabe gebe aufzuschreiben die vielfältigen Zustände 

Die vielfachen Menschen
An Leib und Seele
Die unendlichen Versuche des Menschen
Zu fliegen
Der Welt vielleicht zu entgehen
Sich zu erheben
Nur seine (Gottes) Hand zu berühren
Zu schweben zwischen Rätsel und Lösung 
Zwischen Lösung und Erlösung

Wir fühlen uns manchmal allein gelassen

Und möchten doch auch in den Himmel kommen
In den Himmel wachsen und gedeihen und blühen

Ein Wiedersehen feiern
Damit unser Zweifel nicht gar Verzweiflung werde
Unsere kritische Ungeduld nicht fahrlässige Unduldsamkeit
Sondern Mut auch Demut und Sanftmut
Und weniger Hochmut heiße Vorsicht und Nachsicht Tapferkeit auch Versöhnung und Trost
 

Darum meine ich
Möge Gott unser Herr jedem die Gabe Geben zu singen vom Wachsen und Werden
Daß wir uns austauschen können
Daß wir ein großes Lied sind
In tausend Farben

Und tausend Worten
Aus allen Menschen-Geschichten
Aus allen Gefühlen Gedanken Wünschen und Träumen
Ein großes Lied
So groß, daß es im Himmel zu hören ist -

Gar nicht mal so laut
Aber so groß, daß man im Himmel zurücksingt
Wie ein Echo
Kommt es von oben zurück
Geht es hinauf und kommt zurück

Und wächst ineinander
Nachricht auf Nachricht,
Botschaft auf Botschaft,
Trauer und Freude,
Argwohn und Hoffnung,
Weltlicher Schmerz und Heiliger Geist
Und die Erde wächst höher

Und der Himmel wächst tiefer
Und Mensch und Tier
Und Frucht und Pflanze
Wald und Strauch
Wiese und Wasser
Werden eins in Gottes Hand
Und Geist in seinem Namen:
Möge Gott unser Herr

Jedem die Gabe geben
Zu glauben zu hoffen und zu lieben!
 

(Hanns Dieter Hüsch)

Die Buchwoche dauert noch bis zum 10. November. Infos zu den Veranstaltungen und die Öffnungszeiten der Ausstellung hier.

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