Cover: Dean Blunt, Redeemer |
„Christlicher Pop? Ein schwieriges Thema. Gnade uns, wenn die Popmusik ins mitteleuropäische Gotteshaus fährt! Welche ästhetischen Verbrechen möglich sind unter Verwendung eines käsigen Keyboards, von Gitarren, die von befangenen Menschen bedient werden, eines aus dem Hohlkreuz betupften Schlagzeugs sowie unter Einsatz eines Gesangensembles, das seine Töne säuberlich stapelt wie ein Getränkehändler seine Leergutkisten – man mag es gar nicht glauben. Was bleibt von Pop, wenn nichts als Demut, Strebsamkeit und Friedfertigkeit die Hände und Stimme führen? So rhetorisch die Frage, so fürchterlich die Antwort,“ schreibt Oliver Götz im Musik- Express (7/2013), um dann doch noch das Gute zu entdecken, hat doch Paddy McAloon, der Kopf der großartigen Band Prefab Sprout „sein Gitarrenspiel bei jungen Priestern gelernt und sich dem Songwriting in der Manier eines eifrigen Mönches gewidmet. Vor allem aber hat er die endlos variierbare Frage nach Gott gleich in einer ganzen Reihe von Songs behandelt.“
Bei meiner ersten Popkolumne plädierte ich noch für die klare Trennung von Pop und Religion. Kaum war die Kolumne online überfielen mich die ersten Zweifel meiner säkularen Popwelt. Gott, Heilige und religiöse Symbolik schallten durch die Kopfhörer in meine Ohren. So bei Prefab Sprout und in ihrem Song „One of the broken“, wo Gott darum bittet, nicht ihm die ganzen schönen Lieder zu singen, sondern denen, die gebrochen sind, die Trost und Rückhalt durch Musik brauchen. Was für ein schöner Gedanke: Gott verzichtet zugunsten der Kranken, Einsamen und Heimaltlosen auf die an ihn gerichteten Hymnen. Eine neue Variante in der Theodizee-Frage.
Aber nicht nur in Songs der Popgeschichte offenbaren sich religiöse Motive, auch in den Neuerscheinungen des 1. Halbjahres.
Das Plattengeschäft meines Vertrauens präsentiert im Schaufenster ein Plattencover, dass auch in Kevelaer nicht weiter auffallen würde: zum Gebet gefaltete Hände auf schlichten weißen Untergrund. Dürer würde sich freuen. Dean Blunt nennt sich der Künstler, dem es gelingt seine Identität erfolgreich zu verbergen. Sein Album nennt er ebenso schlicht wie unbescheiden „Redeemer“, Erlöser. Früher hätte man so ein Album Konzeptalbum genannt, reihen sich Soundschnipsel, Songfragmente und Lieder mit wunderbaren, beinahe süßlichen Melodien aneinander. Sehr schön mit Chancen auf einen Platz auf meinem Sommer-Soundtrack: Papi.
Das Plattengeschäft meines Vertrauens präsentiert im Schaufenster ein Plattencover, dass auch in Kevelaer nicht weiter auffallen würde: zum Gebet gefaltete Hände auf schlichten weißen Untergrund. Dürer würde sich freuen. Dean Blunt nennt sich der Künstler, dem es gelingt seine Identität erfolgreich zu verbergen. Sein Album nennt er ebenso schlicht wie unbescheiden „Redeemer“, Erlöser. Früher hätte man so ein Album Konzeptalbum genannt, reihen sich Soundschnipsel, Songfragmente und Lieder mit wunderbaren, beinahe süßlichen Melodien aneinander. Sehr schön mit Chancen auf einen Platz auf meinem Sommer-Soundtrack: Papi.
Der nächste Song landet auf jeden Fall auf meiner Sommer-Mix CD: „Hildegard von Bingen“ von Devendra Banhart, einem Folksänger (im weitesten Sinne). Durch das Kronos-Quartett wurde er auf Heilige aus dem Rheingau aufmerksam. Er komponierte einen Song über sie und überträgt ihre Biografie sehr frei in die Jetztzeit: Eine junge Frau verlässt das Kloster und sucht jetzt Musikclips für eine TV Station aus. „Mein Song ist reinste Fiktion, aber ich hoffe, ich steigere damit das Interesse meiner Hörer an dieser faszinierenden Figur, dieser Feministin des Mittelalters“, beschreibt Devendra Banhart seine Intention. Die Hoffnung kann ich nur teilen und füge noch einen weitere hinzu: Hoffentlich wird der Sommer so schön wie dieses Lied.
Das zweite große Mediending des Sommers nach der Disco-Platte von Daft Punkt ist Boards of Canada. Acht Jahre haben sie nichts von sich hören lassen, wecken unvermittelt die Aufmerksamkeit ihrer Fangemeinde mit Infobrösel aus ihrem Studio, bis schließlich kein Feuilleton mehr darum herum zu kommen meint über sie zu berichten: „Hohenpriester des Sakralpops“ nennt die FAZ das schottische Elektroduo anerkennend. Für mich ist es schlicht esoterische Langeweile. Beim Video zur Single führt uns die Kamera zu wabernder Computerklängen erst einmal durch verlassene Wüstendörfer (Achtung Symbolik), um uns dann zu blühenden Rosen zu begleiten (Achtung Symbolik) und uns schließlich zur Sonne (Achtung Symbolik) zu führen. Hoffentlich wird der Sommer nicht so langweilig wie diese Musik. Kommt nicht auf meine Sommer-CD.
Viel Sommer ist auch sehen im Video von Eric Pfeil, der es wagt, als Pop-Kritiker der FAZ jetzt selbst Pop zu machen. Die vorab veröffentliche Single „Süden“ handelt weder von Gott noch von Religion, aber immerhin taucht der Petersdom in Rom kurz auf. Meine Freunde feiern bei Facebook „Süden“ schon als Sommerhit des Jahres: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich da mitgehe, es ist aber auf jeden Fall das Sommervideo des Jahres, zeigt es doch, wie man sich als Mann stilvoll von der Sonne in den Schatten bewegen kann.
Roberta Flack kennt jeder, auch wenn man keinen Song von ihr persönlich kennt, denn die Fugees lieferten mit ihrer Version von „Killing me softly“ 1996 den Sommerhit. Jetzt bin ich auf ein Stück von ihr gestoßen, das nie ein Hit war, sondern nur eine B-Seite, aber mich dieses Jahr durch die warme Jahreszeit begleiten wird. Ein Ohrwurm, über den man sich freut. Das Lied ist ein Plädoyer für einen soliden Religionsunterricht.„According to Matthew: it’s my time“ singt Roberta Flack mit ihrer sanften Stimme. Und wer den Religionsunterricht nicht geschwänzt hat, wird sofort wissen, dass es sich um ein Jesuszitat aus Matthäus (26,18) handelt. “Meine Zeit ist da.“ Manchmal gilt es Entscheidungen zu treffen, auch in der Liebe, wie hier bei Roberta Flack (sehr schön wie sie sich bei einem Konzert zum Singen erst einmal auf einen Stuhl setzt, dabei lernt man doch schon im
Kinderchor, dass man im Stehen viel besser singt).
Also doch eine Chance für christlichen Pop? Nein. Aber auch die säkulare Welt des Pops bietet Gelegenheiten religiöser Erfahrung. Und wenn diese so schön genutzt werden wie von Roberta Flack, Paddy MacLoon und Devendra Banhart freue mich über jeden Popsong, in dem Gott und seine Heiligen mitspielen. Und wenn es noch Sommerhits werden, um so mehr.
Sommer 2013
Devendra Banhart – Hildegard von Bingen
David Lemaitre – Megalomania
Dean Blunt – Papi
Vampire Weekend - Step
Tocotronic – Wie wir leben wollen
Daft Punk – Get Lucky
Chic – Good Times
Roberta Flack – Some Gospel according to Matthew
The Four Tops – I can’t help myself
Liga der gewöhnlichen Gentlemen – Der Fünfte Four Top
Junip – Line of Fire
Phosphorescent -The Quotidian Beasts
I Am Kloot – Let it all in
Benjamin Biolay - Ton héritage
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