Sonntag, 31. März 2013
Skyfall
Ein guter Platz, den Tod zu treffen und dabei dennoch in Distanz zu ihm bleiben zu können ist neben dem sonntäglichen heimischen Sofa beim rituellen „Tatort“-Schauen der Kinosessel. „Sterben und Tod“ sind zweifellos vielfältig variierteThemen des Kinos. Aber auch die Frage, wie es wohl danach weitergeht, wird in Filmen erörtert. Und nicht immer wird Auferstehung ironisch inszeniert wie im jüngsten James-Bond-Film „Skyfall“: Der Held überlebt knapp eine schwere Schussverletzung, was der Zuschauer zunächst nicht weiß. Seine Auferstehung – das heißt seine ganz irdische Wiederherstellung für den Dienst als Geheimagent seiner Majestät – scheitert aber fast aufgrund seines schlechten körperlichen Zustands.
Christen glauben: Jesus Christus ist nicht umsonst gestorben, sondern er hat damit die Schuld aller Menschen auf sich genommen und durch seine Auferstehung gezeigt: Für niemanden ist der Tod das letzte Wort. Etwa einhundermal haben Regisseure versucht, im Genre sogenannter „Jesusfilme“ diesen Kern der christlichen Botschaft auf die Leinwand zu bringen. Mit unterschiedlichen Schwerpunkten – und unterschiedlich überzeugend.
Pier Paolo Pasolini, Marxist mit deutlicher katholischer Färbung, wollte mit seinen Filmen weniger Geschichten erzählen als Gedanken, Ideen präsentieren. Das Matthäusevangelium dient ihm in seinem gleichnamigen Film aus dem Jahr 1964 auch wegen seiner langen Passage der Bergpredigt dazu, die revolutionäre Kraft der Botschaft zu zeigen. Für Pasolini ist sie eine Botschaft der einfachen Leute. So spielen bei ihm ausschließlich Laienschauspieler, in deren Gesichtern sich oft spiegelt, was passiert: Im verzerrten Blick des Verbrechers genauso wie in den Falten Marias. So muss Pasolini gar nicht alles explizit zeigen, etwa den Augenblick, an dem Jesus stirbt. Stattdessen schwenkt er durch die Ruinen der ärmlichen Behausungen am Filmset in Tunesien, in denen die Menschen, vielleicht auch die Schauspieler selbst leben. Nach der Kreuzesabnahme wird die Dornenkrone achtlos auf Seite geworfen. Eine kleine Prozession bringt den Leichnam Jesu in eine Grabhöhle. Die Kamera ruht in den leeren Gesichtern der Herumstehenden, die erschöpft ihre Köpfe an die Grabkammer lehnen. Als Maria mit einigen anderen zurückkommt, um einen Strauß Feldblumen vor dem Grab abzulegen, fällt der Grabstein um und gibt den Blick frei auf ein leeres Grab. Ein Engel in Gestalt eines jungen Mädchens erzählt, dass Jesus auferstanden sei. Die Schlusseinstellung zeigt dann den Auferstandenen selbst in der Aussendungsrede. Auferstehung bedeutet für Pasolini, dass die jesuanische Botschaft von der Veränderung der Lebensverhältnisse weitergetragen wird. Diese Essenz, die Grundidee des Evangeliums kann nichts und niemand auslöschen.
Franco Zeffirellis vierteilige Fernsehserie „Jesus von Nazareth“ von 1977 ist dagegen eher ein bebildertes Glaubensbekenntnis. Für ihn gibt es keinen Zweifel: Jesus ist der Sohn Gottes. Aus dieser Perspektive deutet er sein Leben und benutzt filmische Mittel, die dies unterstreichen: Auch im Angesicht des Todes zeigt der Regisseur das Gesicht Jesu oft in Großaufnahme oder leicht von unten nach oben gefilmt. Jesus bleibt der Erhabene. Und als er am Kreuz gestorben ist, bricht ein Unwetter über die Szenerie herein. Eine Gruppe von Frauen beweint den am Boden liegenden Leichnam. Als sie anderntags zum Grab kommen, sagt ihnen ein Feldarbeiter, sie würden Jesus nicht dort finden. In der Tat tragen die Grabwachen nur ein paar leere Binden nach draußen. Maria geht und berichtet den skeptischen Jüngern, dass sie den auferstandenen Jesus selber gesehen hat. Die Auferstehung erscheint ein folgerichtiger Schlusspunkt, der keinen Platz lässt für mögliche Bedenken des Zuschauers.
Im Jahre 2003 legte der australische Schauspieler und Regisseur Mel Gibson seinen umstrittenen Film „Die Passion“ als eine nicht enden wollende Leidensgeschichte vor. Der Jesus, der an Kreuz geschlagen wird, ist nur noch ein Torso aus blutigen Fleischfetzen. Gibson kehrt während der brutalen Szenen des Kreuzweges, den Jesus mit übermenschlicher Kraft bewältigt, immer wieder mit der Kamera in den Abendmahlssaal des Gründonnerstag zurück. Während die Jünger also aus dem Kelch trinken, rinnt in der nächsten Szene das Blut des sterbenden Heilands in Zeitlupe am Stamm des Kreuzes entlang in den Staub. Maria, die mit dem Lieblingsjünger geblieben ist, küsst den Fuß Jesu, wobei Blut an ihren Lippen hängen bleibt. Die Aussage ist klar: Im Sakrament vom Blut Christi bleibt das blutige Opfer Jesu gegenwärtig. Das Passionsbild endet mit einer Pietaszenerie: Maria und der Lieblingsjünger halten den toten Jesus. Maria blickt dabei - wie anklagend – durch die Kamera den Zuschauer an. Dornenkrone und blutgetränkte Nägel werden – anders als noch bei Pasolini – zur Ikone. Dann: In eine Höhle fällt nach und nach Licht. Der Blick fällt auf Leinenbinden, in sich zusammen sinken, als ob sich der Körper, den sie einschlossen verflüchtige. Der Blick fällt auf das makellose und sonnenbeschienene Gesicht Jesu. Er steht auf und geht aus dem Bild. Die letzte Einstellung des Films zeigt das Loch in seiner Hand. Die Auferstehung ist für Gibson letztlich egal. Entscheidend bleibt das übermenschliche Opfer des Gottmenschen, gegenüber dem jedes Opfer und jeder Einsatz eines Normalsterblichen unbedeutend erscheinen muss.
Denys Arcand beschreitet in seinem Film „Jesus von Montreal“ aus dem Jahr 1989 einen indirekten Zugang zum Geschehen. Er erzählt nicht die Geschichte Jesu, sondern die Geschichte eines Menschen, der Jesus spielt. Der Schauspieler Daniel Coulombe übernimmt in Montreal die Jesusrolle in einem Passionsspiel. Das entwickelt sich, anders als vom Pfarrer geplant, zu einer provozierenden Deutung der Zeit, in der auch die Kirche nicht ungeschoren davon kommt. Coulombes Tod ist schließlich ein Unfall. Das Kreuz kippt um und begräbt ihn unter sich. Sein Tod rettet zwar nicht die Menschheit, lässt die Menschen um ihn herum aber verändert zurück und schließt verschlossene Türen auf, wenn der Film auch mit einer Art Auferstehungsbild endet: Mit ausgebreiteten Armen liegt der tote Daniel auf dem Operationstisch. Dort werden ihm seine Organe entnommen, durch die anderen Menschen weiterleben können.
So kann manch überraschende, vielleicht auch provokante Perspektive entstehen, wenn Regisseure vom Auferstehungsmotiv das deuten, was sie selbst verstanden haben. Und sie können durchaus religiös getränkte Momente von Trost und Hoffnung schaffen, die den Zuschauer anrühren. Als die verstorbene Mutter der kleinen „Ponette“ im gleichnamigen Film von Jaques Doillon aus dem Jahr 1996 leibhaftig an ihrem Grab erscheint, kann das kleine Mädchen anschließend einen großen Schritt in ihrer Trauer gehen kann. Denn die Mutter sichert ihr zu, dass ihre Liebe ewig sein wird, und als Zeichen dafür trägt das Kind fortan ihren viel zu großen roten Pullover. Oder als sich Bess in Lars von Triers „Breaking the Waves“ aus dem Jahr 1996 für ihren gelähmten Mann in für den Zuschauer unverständlichen Weise aufopfert und am Schluss brutal misshandeln lässt, endet ihr Tod mit einer letzten Kamerafahrt direkt in den Himmel hinein. Wo ihr zu Ehren die Glocken läuten.
Leicht verändert auch erschienen in den aktuellen Osterausgaben der Bistumsprese GmbH
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