Sonntag, 10. Februar 2013

Manieren

Foto: Peter Otten
Vis a vis von Georg Schwikarts Büro, am „Haus des Karnevals“ wartet der Nubbel auf seine Verbrennung. Am Aschermittwoch wird diese Strohpuppe in Flammen aufgehen und alle Sünden mit sich nehmen, die sich die Narren in Hangelar bei Bonn auf ihre Narrenseele geladen haben. Denn der Nubbel ist im Karneval praktischerweise alles Schuld. Schwikarts Refugium ist vor allem die Stube eines Schriftstellers. Bücher, wohin man blickt. Aber auch kleine Ikonen an den Wänden, Kreuze, gemalt und geschnitzt. Ein Buddha auf dem Board. Ein Rosenkranz. Ein Ort, der viel sagt über einen Menschen, der vor allem eins war in seinem Leben: viel unterwegs. Schwikart, verheiratet und Vater von zwei Söhnen hat auf einem grünen Sofa Platz genommen. Hier haben offensichtlich schon viele Menschen gesessen und geredet und aus der Porzellankanne mit dem Goldrand, die tatsächlich von einer altmodischen Mütze gewärmt wird, Tee eingeschenkt bekommen.

Im November 2010 wurde er von der Weihe zum Diakon in der katholischen Kirche ausgeschlossen. Drei Wochen vor dem Termin. Da war die Feier längst geplant. Die Gäste eingeladen. Die Festgewänder gekauft. Jemand hatte beim Erzbischof von Köln eine Beschwerde eingereicht. Schwikart – Theologe, promovierter Religionswissenschaftler und Autor von über 200 theologischen und religiösen Büchern – habe in seinem Werk „Evangelisch?Never!“ das Frauenpriestertum gefordert und den Zölibat in Frage gestellt. Wer das Buch in die Hand nimmt, den mögen derartige Vorwürfe durchaus irritieren: Das Buch ist eine einzige euphorische Liebeserklärung eines frommen Gottsuchers an die katholische Kirche.

Nun hat er das, was ihm widerfahren ist aufgeschrieben. Nicht in einem Sachbuch, sondern in einem sehr persönlichen Bericht. „Abgekanzelt“, heißt es, und im Untertitel „Protokoll einer Inquisition“.

Eine Zuspitzung des Verlages, wie Schwikart einräumt. Er wolle sich keinesfalls mit Jan Hus vergleichen. „Das Wort bedeutet zunächst einfach „Untersuchung“ – und auch in meinem Fall ging es letztlich auch um die Untersuchung der Frage, ob ich noch katholisch bin“, sagt er. Es sollte kein Abrechnungsbuch werden, und es ist auch keins geworden. Wenn überhaupt will Schwikart mit sich selber abrechnen: „Ich musste 48 Jahre alt werden um zu merken, dass die Kirche kein Zuhause ist. Die Kirche ist nicht meine Mutter, sie hat mir nichts mehr vorzuschreiben. Ich will den Preis nicht mehr bezahlen.“


Nicht die Kirche ist das Zuhause, sondern Gott. Davon ist Schwikart zutiefst überzeugt. Er weiß Gott gegenwärtig in den vielen tiefen Gesprächen und geglückten Begegnungen, dann, wenn ein gemeinsames Abendessen zu einer wirklichen Kommunion wird. Er schildert eine Fahrt auf dem Ganges, wo er mit vielen tausend Menschen Kerzen auf dem Wasser aussetzte. „In dem Moment war das ein Sakrament“, erzählt er. Und doch: „Ich habe tief in mir die Sehnsucht, irgendwo anzukommen.“ Daher die Konfessionen, sie seien wie „eine Adresse für Gott“. Verlässlich, ausdrucksstark, höchst sinnvoll . Und die Tradition, in seinem Fall die katholische, in die er hinein gewachsen ist. Die er sehr verehrt, immer noch. Und mit der er sehr gekämpft hat. Das Buch schildert auch das: Seinen Kampf um „das Katholische“, seine tiefe Sympathie zu für Riten, Liturgie und Gebet. Seine Liebe zu Gott.

So ist es auch das Lebensthema Schwikarts, seine Suche nach Gott, ein wichtiges Subplot des Buches. Insofern ist es weniger ein Aufklärungsbuch eines Journalisten, sondern in weiten Teilen ein sehr persönliches Glaubensbuch. Man spürt das stets, auch in dem frühen Höhepunkt, wenn Schwikart die Vorgänge und Gespräche schildert, die seinen Rausschmiss besiegeln. Es ist berührend zu lesen, wenn Schwikart die Stunden schildert, bevor er ein Gespräch mit Kardinal Joachim Meisner führt, das den Ausschluss von der Weihe letztlich bestätigen wird: „Ich betete glühend, Gott möge alles zum Guten führen, wie es in meinem Lieblingsvers in der Bibel heißt: „Alles wirkt zum Guten zusammen für die, die Gott lieben.“ Wir er unmittelbar davor in St. Andreas einen Rosenkranz betet oder wie sein Blick im Dienstzimmer des Erzbischofs auf das Bild vom verlorenen Sohn fällt.


Sein Bericht macht deutlich, dass es in diesem Konflikt vor allem an drei Dingen fehlte: Am Schneid derjenigen, die schwiegen, obwohl sie ahnten, dass ein Unrecht heraufzog. Am Respekt vor demjenigen, der vier Jahre Lebenszeit investierte und dafür auf viel verzichtete. Vor allem aber, und das ist auch ein Verdienst dieses sehr aufrecht geschriebenen Buches: Es fehlt weit und breit schlicht an Manieren. Nicht nur im Fall Schwikart. Fassungslos und traurig macht den Leser, wenn er merkt: Hier warf die Kirche nicht einen notorischen Querulanten raus, sondern einen zutiefst frommen aufrichtigen Gottsucher. Zurück bleibt ein dumpfes Gefühl, denkt man an das, was übrig bleibt.


(leicht verändert auch in Publik Forum 3/2013 "Kampf ums Katholische" )

1 Kommentar:

  1. Bei Günther Jauch betonte gestern Präses Schneider die Pluralität, die die evangelische Kirche auszeichnet, und reklamierte damit etwas für seine Kirche, was für die katholische Kirche selbstverständlich sein sollte. Ohne den Kampf um Pluralität könnte die Kirche nicht auf eine 2000 jährige Kirchengeschichte zurückschauen. Schwickart kann leider nicht mehr zu einer vielfältigen, katholischen Kirche beitragen. Anfang des 3. Jahrtausends ist dies offensichtlich nicht möglich.

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