Foto: Peter Otten |
Die alles zeigt, dass ein wesentlicher Teil der Aufarbeitung und der Reflektion innerhalb der katholischen Kirche schnellstens angepackt werden muss: Die Übergriffigkeit, das Grenzverletzende, das im theologsichen, im (amts)kirchichen Sprechen verborgen sein kann und das nach folgender Systematik geschieht: Weil ich im Auftrag Gottes/im Geist Gottes/mit der Autorität des Evangeliums/in persona Christi spreche, weiß ich, was gut für dich ist. Es ist wichtig, sich dieser Gefahr bewusst zu sein. Der Kern des Glaubens ist und bleibt Vertrauen. Das aber kann nur geschenkt, niemals aber erzwungen (Missbrauch) oder verordnet (Verrat) werden. An dieser Stelle sei nochmals auf die eindrucksvolle Bibelarbeit von Jutta Lehnert auf dem Katholikentag von unten im letzten Jahr verwiesen: Bei Missbrauch, Gewalt und Übergriffigkeit durch Mitarbeiter der Kirche steht der religiöse Kern eines jeden Menschen auf dem Spiel. Er wird verletzt, im Zweifelsfall zerstört. Das ist und bleibt der unvermeidliche Preis solchen Handelns.
Im Übrigen zeigt der Fall des abgewiesenen Vergewaltigungsopfers in Kölner Krankenhäusern ein zweites: Es gibt Situationen im Leben, da beinhalten alle möglichen Entscheidungen sittliches Vergehen. Da lädt man in jedem Fall Schuld auf sich. Der Kölner Pfarrer Franz Meurer bringt es in einem Interview auf den Punkt: "Das ganze Leben besteht doch aus Dilemmata. Es geht darum, aus schlechten Handlungen das am wenigsten Schlechte rauszuholen, und aus guten Handlungen das Beste." Und: "Mir tun aber auch die beiden Ärztinnen leid. Die Arbeit in einem Krankenhaus ist nicht einfach. Die Mediziner arbeiten im Schichtdienst, sie haben Stress." So scheint es doch vor allem eine wichtige christliche Tugend zu sein, die Menschen am Ende einer Entscheidungskette nicht im Stich zu lassen - und ihnen beizustehen und sich nicht mit "Missverständnissen" herauszureden. Die Ärztin war sicher nicht zu dumm oder unverständig, mit Sicherheit aber müde und unsicher. Mir fällt das Bild der Jünger ein, die sich nach der Gefangennahme Jesu im Garten Gethsemane davonmachen. Von ihnen ist danach lange nicht mehr die Rede. Eine Frau und der Lieblingsjünger bleiben allein unter dem Kreuz zurück, schweigend, betend vielleicht. Glaubensfestigkeit wird sich wohl nie in lauter Rechthaberei erweisen. Sondern im Aushalten. In der leisen Solidarität.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen