Foto: Peter Otten |
Der Hessische Rundfunk hat anlässlich der 1000. Ausgabe der Sendung "Horizonte" beim Zentrum für kirchliche Sozialforschung der Katholischen Hochschule in
Freiburg eine Umfrage in Auftrag gegeben. "Was glauben die Hessen?" - das hat das Institut unter der Leitung des Religionssoziologen Prof. Michael N. Ebertz versucht herauszufinden. Einer Kirche, die sich als Kulturträgerin verstünde und die darin liegenden Herausforderungen anähme, würde immer noch viel zugetraut.
Zwei Kernthesen lassen sich aus den Daten herauslesen: Die Kirchen werden als Institutionen akzeptiert oder sogar wertgeschätzt, insofern sie nicht bevormunden oder dogmatisieren. Und: Mit einem Gott als Person, der sich zudem noch in Jesus Christus offenbart, können die wenigsten noch etwas anfangen - Christen übrigens auch nicht. "Ein Christentum ohne Christen ist bereits Realität in den hessischen Kirchen" - so Ebertz.
Zunächst einmal gibts viel Bemerkenswertes und auch Positives: Zwei Drittel der Befragten glauben an die Wirksamkeit von Gebeten. Fast die Hälfte betet täglich oder wöchentlich. Zudem ist die intellektuelle Beschäftigung mit dem Glauben für sehr viele Menschen von Bedeutung: Lediglich ein knappes Viertel denkt nie über religiöse Themen nach. Fast drei Viertel glauben daran, "dass es hinter oder über unserem normalen Leben ein Geheimnis gibt". Zwei Drittel glauben daran, "dass es Gott gibt". Das mag aus religiös offizieller Sicht zu wenig sein, wie es in der Studie heißt. Denn die Transzendenzvorstellungen bzw. Gottesbilder bewegen sich zum Teil in großem Abstand zur kirchlichen Lehre. Damit werde aber zumindest eine allgemeine religiöse Basis bzw. Ansprechbarkeit signalisiert, heißt es in der Studie dazu zu Recht.
Auffällig ist auch eine hohe grundsätzliche Akzeptanz der Kirchen.
Etwa drei Viertel der Befragten finden es gut, dass es sie gibt -
darunter auch mehrheitlich Muslime und religiös Nicht-Organisierte. Das
findet Michael Ebertz angesichts der Missbrauchsskandale "überraschend". Insgesamt gilt: Kirche ist ok. oder wird sogar wertgeschätzt, insofern sie das "offene
Geheimnis" - also ob es Gott oder eine andere transzendentale
Wirklichkeit gibt - nicht dogmatisch schließt und die "Autozentrik der
Lebenssinngebung" respektiert. Dahinter steckt offensichtlich eine große Institutionsskepsis - zumindest dann, wenn diese als bevormundend oder belehrend erlebt wird. „Ich stehe zur Kirche, aber sie muss sich auch ändern“ – diese Aussage
machen sich 85 Prozent der Protestanten und sogar 89 Prozent der
Katholiken ganz oder teilweise zu eigen. Die protestantische Kirche hat hier keinerlei institutionellen Vorteil.
Erste Reaktionen machen nachdenklich. Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung beispielsweise meinte, die Kirche müsse stärker über ihre Inhalte und ihre
Sprache nachdenken sowie ihre Ansichten mitunter "aggressiver" in die
gesellschaftliche Debatte einbringen. Man bleibt angesichts der Studie skeptisch, ob zuwenig Aggressivität tatsächlich das entscheidende Problem der Kirchen ist. Der Bischof von Limburg Franz-Peter Tebartz-van Elst ist dagegen der Meinung, die Kirchenmitglieder sollten "missionarischer" werden, mit persönlichen Zeugnissen für den christlichen Glauben werben und die persönliche Beziehung zu Jesus Christus wieder in den
Mittelpunkt ihres Lebens rücken. Das klingt nach Innerlichkeit und Privatisierung.
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