Foto: Peter Otten |
Nicht nur, weil man sich einen allmächtigen Gott so schwer vorstellen mag: Gott, mittendrin im Drama der Welt: Mit einem Vater, der sich überlegt, seine schwangere Verlobte zu verlassen. Mit einer Geburt in Obdachlosigkeit. Mit einfachen Menschen als Zeugen. Mit der Todesdrohung direkt in den ersten Lebenstagen. Mit der Flucht ins Ausland und - heute würde man sagen - dem damit verbundenen Antrag auf Asyl. Es ist atemberaubend, an jedem Jahresende immer wieder zu hören, wie Gott sein Schicksal mit der Welt verknüpft. Sich selbst in die Hände und in die Gesetze der Welt begibt. Und das ist vor allem ein Zeichen der Hoffnung: Für die Menschen, die allein zurückgelassen werden. Für die Menschen ohne Zuhause. Für die Menschen, die mit dem Tod bedroht werden. Für die Menschen, die ihr Glück in einem fremden Land suchen müssen. Für die Menschen, die allein ihre Kinder großziehen. Die für ein Taschengeld bei Mediamarkt an der Kasse sitzen. Die in dunklen Fabriken iphones zusammenbauen. Die sich in Callcentern Unverschämtheiten anhören müssen. Deren Lebenserwartung angesichts steigender Armut auch in Deutschland weitgehend unbemerkt weiter zurückgeht. Hoffnung deshalb: Wenn Gott in der Krippe ist, dann ist er auch dort überall.
Das hat natürlich Konsequenzen für die Verkündigung dieser Botschaft: Weihnachten macht bis zur Schmerzgrenze und damit sehr unangenehm deutlich, wo Gott sich zeigt: Mittendrin im Schlamassel. Mehr Welt, mehr Drama geht nicht. Das bleibt all denen gesagt, die auf die Wiederauferstehung einer Art von katholischer Parallelwelt hoffen. Diejenigen, die das Stroh der Krippe zu Gold spinnen wollen, können bei Rumpelstilzchen nachlesen, dass man besser die Finger davon lässt. Und doch scheint es heute chic zu sein, sich kirchlicherseits von der "bösen Welt" abzuwenden. Dort ist nichts zu wollen, schreibt beispielsweise Wolfgang Ockenfels zum heutigen Fest. Die moderne Verkündigung laufe auf die betuliche Phrase „seid nett
zueinander“ hinaus. Und viele Christen täten so, als ob Christus nur auf
die Welt gekommen sei, "um eine philanthropische Organisation (mit
Spendenbescheinigung) ins Leben zu rufen." Die Kirche müsse sich von „dieser“ Welt distanzieren, so folgert Ockenfels, gerade um sie besser
in den kritischen Blick zu bekommen und auf sie einwirken zu können. Einwirkungen sind dann vor allem die "Endverweltbildlichung" der Kirche und der Austritt aus der Kirchensteuerfinanzierung.
"Vielleicht wäre der
christlich motivierte Ruf nach einem anderen Lebensstil nie brisanter
als heute", entgegnet Joachim Frank. Und er hat Recht damit. Aber mit Sozial- und Öko-Gedöns wollten die „Entweltlicher“ in
Wahrheit gar nichts zu tun haben. "Für sie besteht das „katholische
Abenteuer“ darin, sich an barocker Liturgie und zeremoniellem Gepränge
zu berauschen." Den Ruf nach Strukturreformen spielten sie gegen Gebet und
individuelle Frömmigkeit aus. Zugleich verteidigten sie katholische
Sonderwelten wie den Pflichtzölibat oder den Ausschluss der Frauen vom
Priesteramt schon allein deshalb, weil sie sich so wunderbar dem „linken
Mainstream“ widersetzen. "Attraktiver ist die Kirche dadurch nicht
geworden, wie jüngste Erhebungen belegen." Über Relevanz und Attraktivität des Christentums
entschieden am Ende nämlich "nicht scharfzüngige Polemiken, sondern
Glaubwürdigkeit in Wort und Tat." Noch konkreter wir heute Heribert Prantl in der heutigen SZ. Er weist darauf hin, dass die Weihnachtsgeschichte die Ouvertüre zu vielen anderen Hoffnungsgeschichten ist, "in denen die Menschen ihre eigenen Lebenserzählungen miterzählt wissen." Einen Raum dafür zu schaffen - darin sieht er die Bedeutung der Religionsgemeinschaften: "Erzählen schützt davor, im Gefühl der Sinnlosigkeit zu versinken. Erzählen heilt. Zuhören auch. Man nimmt dabei den anderen wahr - als Mensch, nicht als Gefahr. Das ist Weihnachten."
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