Die Kirche ist nicht für sich selbst da, sondern für einen Zweck: Für die kreative Konfrontation von Evangelium und menschlicher Existenz, sagt der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher. Die Kirche muss also Orte schaffen, an denen sie das Evangelium in die Kultur hineinbuchstabiert – und nicht an ihr vorbei. „Die Alternative wäre es, Orte zu erhalten, an denen man auch in zwanzig Jahren noch beobachten kann, wie Menschen früher einmal gelebt, geglaubt und gebetet haben. Das sind dann allerdings keine Orte der Kirche, sondern Orte der Erinnerung an die Kirche. Wir brauchen jedoch keine pastoralen Freilandmuseen, sondern Feldversuche“, ergänzt Buchers Würzburger Kollege Bernhard Spielberg pointiert, der im übrigen auf dem Forum während der Konzilswochen in Köln-Heimersdorf in der letzten Woche einen inspirierenden Vortrag hielt.
Über Rainer Woelki sagen Menschen, die ihn gut kennen, er habe einen nüchternen Blick auf die Realität. Er sei kein Schönredner, habe große Anfragen an die Überlebensfähigkeit volkskirchlicher Strukturen und Sympathien für kleine christliche Zellen, aus denen heraus etwas Neues entstehen könne. Für ihn wird also entscheidend, einerseits der Versuchung zu widerstehen, sich in ein Schneckenhaus der Getreuen zurückzuziehen. Wenig ratsam wäre auch der Gestus der Besserwisserei. Es kommt vor allem darauf an, in der Hauptstadt ein Klima zu schaffen, in dem um Menschen geworben wird – mit grundsätzlicher Sympathie und Offenheit.
Vorsichtige Anzeichen dafür, dass der neue Erzbischof das auf dem Schirm haben könnte, gab es bei seiner Vorstellung in Berlin: Die Kirche sei für ihn keine Moralanstalt, sagte er. Das klingt für Menschen mit „Kölner Ohren“ wohl erst einmal erfreulich. Und ein Bischof solle mit dem moralischen Zeigefinger vorsichtig umgehen. Wie feine Töne einer Emanzipation von einem Lehrherrn klang das. Es gebe keine gottlose Stadt. Und ein ehrliches Gesprächsangebot von Schwulen und Lesben in der Stadt werde er gerne annehmen. Wer überdies die Geschichte der Bruder-Klaus-Siedlung im alten Arbeiterstadtteil Köln-Mülheim kennt, in der Rainer Woelki aufwuchs, der weiß, welche Bedeutung diese kirchlicherseits geförderte Siedlungsgemeinschaft nach ihrer Gründung Ende der fünfziger Jahre gerade für Familien mit schmalem Geldbeutel hatte. Für viele Menschen, darunter auch einfache Arbeiter und kleine Angestellte, wurde das Viertel eine Lebensschule für Solidarität und Gemeinsinn. Das ist, sagt einer, der mit Woelki dort aufwuchs, zunächst einmal auch keine schlechte Prägung für einen neuen Hauptstadtbischof, der zwar von sich sagt, kein Politiker zu sein. Der aber Bischof in einer Stadt ist, wo die Politik darüber verhandelt, woran sich eine gerechte Gesellschaft bemisst und wie Teilhabegerechtigkeit aussieht und dabei zwangsläufig auch mit am Tisch sitzen muss.
Die Neubesetzung des Berliner Bischofssitzes lenkt den Blick vor allem auf die dringende Beantwortung einer Frage, die eine gesamtkirchliche ist: Wird die Kirche ein Freilandmuseum oder schafft sie Orte bunter Feldversuche, an denen Menschen auch im heutigen kulturellen Kontext ihren Glauben bezeugen? Sie ist dringend zu beantworten. Sie ist eine Frage nach Inhalt und Qualität, und da helfen in der Tat nicht nur Schlagworte wie „liberal“ oder „konservativ“ – gerade in einer gesellschaftspolitischen Landschaft, die ihre Markierungen in dieser Hinsicht gerade massiv verändert. Diese Antwort verlangt intellektuelle und theologische Tiefe, Lebensklugheit und Großherzigkeit, weil sie darüber entscheidet, ob die Kirche wahrnehmbar bleibt und Relevanz behält oder wiedererlangt. Gerade vom neuen Berliner Erzbischof wird sie verlangt werden, sagen Berliner voraus. Das sei einerseits eine große Herausforderung, ein Umfeld mit großer religiöser Unmusikalität sei andererseits häufig auch durch große Offenheit und sogar Neugier gegenüber der Kirche geprägt. Diese Chance muss der neue Erzbischof ergreifen, weil es seine persönliche Chance, vor allem aber auch die Chance seiner Kirche ist.
Die Neubesetzung des Berliner Bischofssitzes lenkt den Blick vor allem auf die dringende Beantwortung einer Frage, die eine gesamtkirchliche ist: Wird die Kirche ein Freilandmuseum oder schafft sie Orte bunter Feldversuche, an denen Menschen auch im heutigen kulturellen Kontext ihren Glauben bezeugen? Sie ist dringend zu beantworten. Sie ist eine Frage nach Inhalt und Qualität, und da helfen in der Tat nicht nur Schlagworte wie „liberal“ oder „konservativ“ – gerade in einer gesellschaftspolitischen Landschaft, die ihre Markierungen in dieser Hinsicht gerade massiv verändert. Diese Antwort verlangt intellektuelle und theologische Tiefe, Lebensklugheit und Großherzigkeit, weil sie darüber entscheidet, ob die Kirche wahrnehmbar bleibt und Relevanz behält oder wiedererlangt. Gerade vom neuen Berliner Erzbischof wird sie verlangt werden, sagen Berliner voraus. Das sei einerseits eine große Herausforderung, ein Umfeld mit großer religiöser Unmusikalität sei andererseits häufig auch durch große Offenheit und sogar Neugier gegenüber der Kirche geprägt. Diese Chance muss der neue Erzbischof ergreifen, weil es seine persönliche Chance, vor allem aber auch die Chance seiner Kirche ist.
Ich lese hier ja immer gerne, aber das helle organge als Schriftfarbe macht das Lesen unnötig schwer wegen des geringen Kontrasts zum Hintergrund... Wie wäre es mit einem braun oder so, das ja dann farblich immer noch zum Regal passt?
AntwortenLöschenVielen Dank für den Hinweis! So besser?
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