Katholiken feiern Fronleichnam, weil der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern besonders von den Ideen
Eine Vision der Augustinernonne Juliana von Lüttich im 13. Jahrhundert veranlasste Papst Urban IV. 1264, Fronleichnam zum kirchlichen Fest zu erheben. Seinen besonderen Charakter erhält es durch die bis heute stattfindenden Prozessionen. Dabei verwendet man „Schaugefäße“ oder Monstranzen, die unter einem Baldachin, einem ursprünglichen Machtzeichen von Fürsten und Herrschern mitgeführt werden, darin befinden sich Hostien.
Das Fest der Ideen
Betend und singend begleitet die Gemeinde durch festlich geschmückte Straßen das Allerheiligste, mitunter vorbei an mit Blumen, Fahnen und Heiligenfiguren geschmückten Fenstern und hält dabei auch zu kurzen Stationsgottesdiensten an Wegekreuzen und Altären an.Ideen so wichtig wie Brot
Zu Recht sagen viele: Brot ist doch zum Essen da, nicht zum Anschauen. Nicht zufällig entstand das Fest zu einer Zeit, da eine übertriebene Ehrfurcht vor dem Leib Christi den Empfang der Hostie durch seine „Schau“ zum Teil ersetzte. Andererseits zeigt das Fest durch den Modus der Prozession in einer „dramatischen“ Weise, dass Menschen nicht allein vom Brot leben. Sondern mindestens genauso bedeutsam sind die Ideen.
Sie sind zum Leben oder Überleben mitunter wichtiger als ein Stück Brot für einen hungrigen Magen. Wenn katholische Gemeinden am Fronleichnamsfest die Eucharistie im Freien feiern und dann durch die Straßen ihres Quartiers ziehen, bewegen sie sich im Raum der Öffentlichkeit – in einem Mix aus Bekenntnis und Zusage.
Sie sind zum Leben oder Überleben mitunter wichtiger als ein Stück Brot für einen hungrigen Magen. Wenn katholische Gemeinden am Fronleichnamsfest die Eucharistie im Freien feiern und dann durch die Straßen ihres Quartiers ziehen, bewegen sie sich im Raum der Öffentlichkeit – in einem Mix aus Bekenntnis und Zusage.
Michael Paetzold ist Arzt und Pfarrgemeinderatsvorsitzender in einem Viertel Kölns, in dem viele soziale Probleme und gesellschaftliche Verwerfungen im alltäglichen Leben der Bewohner deutlich werden. Für ihn steckt im Fronleichnamsfest und der prächtigen Prozession vor allem eine Verpflichtung Gottes gegenüber diesen Menschen und dem Viertel insgesamt, die die Gemeinde zum Ausdruck bringt: „Wenn wir Jesus Christus in diesem Stück Brot durch die Straßen tragen, dann bitten wir ihn damit, seine Hand schützend und segnend über unser Viertel und die Menschen zu halten.“ Und fügt hinzu: „Gleichzeitig stellen wir damit klar, dass irdische Macht und Gewalt nicht das letzte Wort haben. Der Herr der Welt ist Christus und nicht die Reichen und Mächtigen dieser Zeit. Konsequenterweise sollten wir deshalb den Leib Christi vor unsere Rathäuser und Parlamente, vor die Banken und Wirtschaftszentralen tragen.“ Fronleichnam ist demnach in all seiner Pracht eine Demonstration dafür, dass Gott seine Zuwendung, seinen Überschuss nicht nur den Glaubenden, sondern allen Menschen, der ganzen Schöpfung zugedacht hat. Wer will, kann das mit guten Gründen „praktizierte politische Theologie“ nennen: Die Idee davon also, dass Christsein vor allem Hoffen und Anstrengung „für andere“ ist.
Zeichen für eine solidarische Welt
„Das funktioniert natürlich nur in Gemeinden, die ihren diakonischen Auftrag ernst nehmen und nicht nur an Fronleichnam, sondern grundsätzlich aus ihrer Kirche herausgehen und da anpacken, wo Not zu wenden ist“, sagt Paetzold. So erscheint die Welt, die aus eucharistischem Geist erwächst, als eine Welt der Solidarität, wo Menschen teilen, was sie zum Leben brauchen. „Unsere Prozession endet immer mit gemeinsamem Essen und Trinken, mit Bier, Limo, Pommes Frites und Pizza, kostenlos für alle“, erklärt er. Nicht nur vom Brot, sondern von den Ideen des guten und gerechten Lebens leben Menschen. Von Gemeinsinn und Gemeinschaft zum Beispiel. Ideen, die an Fronleichnam besonders herausgeputzt werden.
veröffentlicht auf dem online-Portal von Publik-Forum
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