Dienstag, 19. April 2011

Hasenfuß

Durchs Internet schwappt eine neue Empörungswelle. Pünktlich zur Karwoche sorgt eine Werbemaßnahme der Thalia-Buchhandelskette für Erregung unter Christinnen und Christen. Dort wirbt man für Geschenke zum Hasenfest - gemeint ist damit wohl das bevorstehende Osterfest. Der Stadtdechat von Bonn, Wilfried Schumacher, zieht daraus für sich die Konsequenzen und wird in dem Geschäft nicht mehr einkaufen - und hat auch nichts dagegen, wenn sich andere Christen ihm anschließen. Im selben Atemzug kritisiert Schumacher den Vorschlag des Vorsitzenden der NRW-Grünen, Sven Lehmann, die Feiertagsruhe am Karfreitag abzuschaffen. Lehmann hatte gesagt, es könne nicht sein, dass die Minderheit der Leute, die christlichen Glauben aktiv praktiziere, der Mehrheit vorschreibe, wie sie den Tag zu verbringen habe, und ihr durch das Verbot bestimmter Veranstaltungen den Abend vermiese. Interessant an der Bemerkung Lehmanns ist eigentlich eher, dass sich so die Überlegung, ob die Grünen eine Volkspartei sind, zu erledigen scheint. Denn eine Volkspartei muss darauf achten, was eine Gesellschaft zusammenhält. In Äußerungen wie diesen scheint sich zu zeigen, dass die Grünen zumindest in Teilen auch nur die Interessen gewisser Klientele bedienen wollen und ihnen das Gesamtwohl einer Gesellschaft leider herzlich egal ist.
Ins Bild passt jedenfalls eher, dass in öffentlichen Diskussionen wie beispielsweise im gestrigen WDR 5-Tagesgespräch zum Thema Karfreitagsruhe auch auf Nachfrage von Moderator Jürgen Wiebicke Studiogast Arnd Brummer nicht überzeugend darlegen konnte, was das Wertvolle an Feiertagen wie des Karfreitags sei. Also inhaltliche Argumente statt dauerndes Wiederholen á la "Das ist unser Recht und wenn eine Mehrheit mal sagen sollte es ist nicht mehr unser Recht dann ist das halt so." Auch da war viel von den ominösen jüdisch-christlichen Wurzeln (wer erklärt eigentlich endlich mal, was das bitte sein soll?) zu hören. Und während der ganzen Sendung rief auch niemand an, der das Anliegen der Feiertagskultur positiv würdigte. Es war schließlich ein im Lebensmittelhandel tätiger Türke, der dem Chrismon-Chefredakteur zur Seite sprang und wahrscheinlich unbewusst den eigentlichen Sinn von Feiertagen deutlich machte: Sie können Menschen miteinander verbinden. Familien, die sich solche Oasen auch fernab des Mitvollzugs bewahren, um in einem durchökonomisierten Alltag Zeit miteinader verbringen zu können. Christen, die sich gemeinsam dem Grund ihrer Hoffnung versichern - übrigens stellvertretend für andere Menschen, die dies nicht können oder warum auch immer nicht tun. Menschen verschiedener Religionen, die beginnen, sich füreinander zu interessieren und Respekt lernen. "Wenn eine Gesellschaft den Konsens darüber verliert, wann es angemessen ist, zu feiern oder auch mal innezuhalten, bricht sie immer mehr auseinander", sagt Stadtdechant Schumacher völlig zu Recht. Das Verbindende fehle.
Und zu dem Verbindenen hat die Kirche immer noch viel zu sagen. Schließlich gehts im Kern des christlichen Glaubens immer wieder darum: Wie geht Verbindung? Zwischen Leib und Seele. Zwischen verschiedenen Teilen und Interessen einer Gesellschaft. Zwischen Diesseits und Jenseits. Zwischen Arm und Reich. Zwischen Egoismus und Gemeinschaftsinteressen. Mit seiner Kompetenz da nicht hinter dem Berg halten, das wäre echte Feiertagskultur. "Letztlich geht es um die christlichen Wurzeln und die christliche Tradition unseres Landes", sagt Schumacher weiter. Es wäre allerdings dringend an der Zeit, mal was konkreter zu werden und sich nicht dauernd hinter Floskeln zu verstecken. Die Tonalität solcher Sätze ist nämlich die eines Kindes, welches sein teures Spielzeug mitgebracht hat und beleidigt ist, weil niemand außer es selbst damit spielen will. Ist immer die Ignoranz anderer der Grund? Eine ehrliche Diskussion dieser Frage wäre viel interessanter als ein Dauerbeleidigtsein.  Ist die Frage nach der Feiertagskultur eigentlich ernsthaft schon dadurch beantwortet, ob ein Fest nun Osterfest (der Begriff leitet sich übrigens von einer heidnischen Göttin ab - und das alles ohne Empörungswellen) oder Hasenfest heißt? Irgendwie klingt das ähnlich wie der Kampf um falsche Weihnachtsmännber und richtige Nikolause langsam ein bisschen neurotisch.
"(Die Wurzeln) geraten immer mehr in Vergessenheit und wir Christen schauen tatenlos zu", endet der Stadtdechant. Also sorgen  Christen dafür, dass der christliche Grundauftrag des Verbindens nicht in Vergessenheit gerät. Dazu gehört im Übrigen auch, dass ein Christ am 1. Mai - einem staatlichen Feiertag - die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern öffentlich mitvertritt. Oder eben auch, dass man weiter bei Thalia in Bonn einkauft. Schließlich ist dieser Laden auch ein Grund dafür, dass das wunderbare Metropolkino nicht der Abrissbirne zum Opfer gefallen ist und das Stadtbild aller Bonnerinnen und Bonner weiter verschönt.
"Die kürzeste Definition von Religion lautet Unterbrechung", sagt der Jesuit Hans Waldenfels. Für diese kulturelle Leistung, zu der auch ein Karfreitag, zu der aber auch die gesamte Feiertagskultur beitragen kann, kann man aus guten Gründen werben. Dazu wäre es Zeit, eine Kultur des Feiertags zu entwickeln und diese in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Jegliche beleidigte Frontstellung ist dagegen kontraproduktiv und irgendwie auch unangenehm peinlich. Und im Übrigen dem Sinn von Ostern, dem Fest, das Himmel und Erde versöhnt nicht angemessen.

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