Mittwoch, 20. April 2011

Bei euch soll es nicht so sein

Normalerweise werden sie rausgeschmissen, kalt entlassen, gerne wegen sogenannter Erfolglosigkeit: Trainer in der Fußball-Bundesliga. Dass man beim 1. FC Köln nicht selten Sonderwege in jeder Hinsicht geht, gerne auch in Fragen der Selbstzerfleischung und dabei neue Rekorde in bislang unbekannten absonderlichen Disziplinen aufstellt, ist in Köln und drumherum einerseits auch keine Neuigkeit. Andererseits ist der neue Rekord, den der FC seit gestern und vermutlich für lange Zeit inne hat, schon einzigartig: Es handelt sich nämlich um den "Rekord in der Skurrilität der Gründe von Trainertrennungen." Da ist der FC seit gestern mindestens Deutscher Meister. Denn zu Erfolgslosigkeit, Zerwürfnis, Ohnmacht, Beratungsresitenz oder auch Kokainkonsum gesellt sich ein neuer bislang unbekannter Grund: "Wegen dem Glauben".

Gestern hatte FC-Trainer Frank Schaefer "aus persönlichen Gründen", wie er sagte, seinen Rücktritt zum Saisonende nach nur sieben Monaten als Cheftrainer angekündigt. Er habe den Eindruck, dass er für den Verein zu einer Belastung geworden sei. Die Verantwortlichen hätten den 47-jährigen zwar angeblich gern für zwei Jahre gebunden. "Wir haben alles versucht, ihn davon zu überzeugen, dass er das Beste ist, was dem Klub passieren kann", sagte Präsident Wolfgang Overath. In dieser Klarheit vernahm man das aber erst nach Schaefers Rückzug und nicht in der Zeit davor.
Er sagte aber auch: „Ich kann es mir kaum vorstellen, dass es einen Trainer gibt, der in seinem geliebten Verein aus der U 23 kommt, Profitrainer wird und so viele Erfolge hat wie er und einer der großen Trainer werden kann und viel Geld verdienen, viel, viel Geld verdienen kann. Und dass dieser Mensch sagt, es gibt private und persönliche Dinge, die für mich wichtiger sind. Das ist eine Aussage, die ich nie für möglich gehalten hätte." "Gravierende Einstellungsunterschiede" zwischen Trainer und Präsident - kommentiert der Kölner Stadt-Anzeiger. 

Aber: Wer ist da naiv zu nennen? Ist der naiv, der unter anderem auf viel Geld, Ruhm und Ehre verzichtet? Oder ist nicht der naiv, der das alles "nie für möglich gehalten hat"?

Schaefers Rückzug vom einst als Traum bezeichneten Posten sei "eine seltsame Anekdote aus einer opportunen Branche, weil offensichtlich Sensibilität und Spiritualität eine Rolle spielen." Während im Fanshop das FC-Köln-Monopoly als Ostergeschenk annonciert werde, habe Schaefer einen lukrativen Vertrag womöglich auch deswegen abgelehnt, weil er die Werte des Fußballbusiness verurteile. Des Trainers Mitgliedschaft in einem Bibelkreis sei zuletzt medial derart überhöht worden, dass man den Eindruck habe gewinnen können, Glaube sei nach Homosexualität und Depression das neueste Tabuthema im Fußball.
Auch Kölns neuer Sportdirektor Finke hatte zuletzt öffentlich spekuliert, inwieweit das christliche Bekenntnis hinderlich sei für die Verlängerung seines Vertrages und damit den Eindruck geschürt, Schaefer sei ein religiöser Sonderling und für das Fußballgeschäft wenig tauglich.

Dass jedoch jemand über die achselzuckend akzeptierte und in weiten Teilen der Gesellschaft bewunderte Ökonomisierung von Lebensbereichen, hier: die kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten des "Höher, schneller, weiter" öffentlich nachdenkt, sich sie in Frage zu stellen traut und gemeinsam mit anderen Christen zum Ergebnis kommt: Bei euch soll es nicht so sein! - und das alles im Fußball! und das alles beim FC! verdient zu Beginn der Karwoche allerhöchsten Respekt. Vielleicht geht Sportdirektor und Präsident zum Osterfest ein Licht auf: Dass eine Entscheidung wie die ihres Trainers nicht nur sehr wohl möglich, sondern leider auch viel zu selten ist.

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