"Wir wissen jetzt Bescheid", schreibt Hans-Conrad Zander in seinem jüngst erschienenen Buch "Der erste Single. Jesus, der Familienfeind", "die Familie ist die Mutter aller Institutionen." Denn Familie hat für ihn etwas von Zusammenklumpen. Der nächstgrößere Klumpen ist dann Sippe und der allerschrecklichste Klumpatsch und somit Zanders schlimmste Vorstellung das Dorf. Klumpen aber klingt für einen Rheinländer oder gar einen Kölner erstmal nicht so schlimm. "Man kennt sich, man hilft sich", so definiert man dort die Familie oder die "Klumpanei". Oder, fast zärtlich: die "Klüngelei".
Aber, oh weh: Die Familie sei, so Zander, soweit das Gedächtnis der Menschheit zurückreiche in die Geschichte, zur Zwangsvorstellung der Religion geworden. Im Talmud sei zu lesen, dass ein Mann ohne Eheweib kein Mensch sei, ja schlimmer noch: "Ledig bleiben ist so schlimm wie einen Mord begehen." Und während der christliche Single nun in seiner Lektüre aufschreckt und erblasst, liefert Zander im nächsten Satz gleich Überraschendes wie Erlösendes: Ja, Jesus war ein Revolutionär, aber ein ganz besonderer: "Was Jesus als Erster gewagt hat, ist die Mutter aller Revolutionen: Religion als familienfreie Zone - in der Gesellschaft und im Gehirn." Nicht Kardinal Meisner, der sonst die christliche Familie als das irdische Abbild der himmlischen Dreifaltigkeit anbete habe je über "Jesus Christus als den idealen Papi" gepredigt. Und auch dessen "spirituelle Freundin" Gloria von Thurn und Taxis schrecke noch davor zurück, Jesus Christus als das "Urbild des bayerischen Familienvaters" anzubeten. Denn das Evangelium, sonst für fast alles verbiegbar und verdrechselbar, sperre sich in diesem Punkt. Denn bei Lukas sei zu lesen: "Wenn jemand zu mir kommt und nicht hasst Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern, dazu noch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein." Also: "Es geht einfach nicht. In diesem Punkt ist der evangelische Bericht überwältigend klar: Der Erlöser war kein Papi. Er war das Gegenteil." Nämlich jemand, so erzählt Zander, der vor seinen intriganten Brüdern davonlief und sich mit seiner dominanten Mutter zoffte. In seinen Erkenntnissen beruft sich Zander vor allem auf die jüdischen Theologen Ben-Chorin und David Flusser
Man liest es mit Genuss, wie Zander im "annus horribilis" seiner Kirche mit feiner Ironie, mit deftigem Schalk, aber immer mit bewundernswertem kultur- und kirchenhistorischem Wissen den Spiegel vorhält und die Familienfixierung der Religion, insbesondere aber seiner katholischen Kirche als das entlarvt, was sie ist: Eine fromme Phantasie. Zander, bekennemder Freund priesterlicher Ehelosigkeit, hält es da lieber mit Kierkegaard: Die Fähigkeit, allein zu sein, ist die Voraussetzung für eine geistige Existenz.
Aber halt: Wäre die Welt nicht verloren, würden sich alle Menschen den von Zander porträitierten Singles Jesus Christus, Antonius von Ägypten, dem heiligen Paulus, Theresia von Avilla und all den anderen nacheifern? Im Augenblick gehe es der Welt schlecht, entgegnet Zander diesen Einwänden, "weil wir zu viele Familien haben. Die ganze Übervölkerung unseres Globus, das macht doch auch die Umwelt kaputt, dass wir sieben Milliarden sind statt zur Zeit Jesu 300 Millionen, das bringt die ganzen Umweltprobleme hervor. Eine Religion, die dafür sorgt, dass die Menschheit sich nicht so stark vermehrt im Unterschied zum Beispiel zum Islam, eine solche Religion ist doch in unserer Zeit nun weiß Gott zu begrüßen."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen