Es ist doch so: In der katholischen Theologie wird die Beziehung eines Bischofs zu einem Priester als etwas besonderes beschrieben. Der Priester ist kein normaler Angestellter des Bischofs, sondern mehr wie ein Sohn. Macht sich der Sohn strafbar, indem er zum Beispiel Kinder missbraucht, so hat der Bischof, so haben die Mit-Brüder ein Problem: Es gibt keinen Arbeitsvertrag (dann könnte man ihn rauswerfen). Der Bischof hat sich aber zu einer besonderen Rundum-Verantwortung verpflichtet, weil sich der Priester ja auf Lebenszeit in seinen Dienst hat nehmen lassen.
Wer den Film "Deliver Us From Evil" gesehen hat - vielleicht im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen in diesem Jahr - erinnert sich an Father Oliver O´Grady. Er beging zwischen den 1970er Jahren und 1993 zahlreiche Missbrauchsverbrechen in verschiedenen Pfarreien an der amerikanischen Westküste. Und wurde, nachdem Fälle bekannt wurden, immer wieder versetzt. In eine neue Pfarrei. Die Familie halt. Wo dann wieder etwas passierte. Irgendwann kam es doch ans Licht. O´Grady wurde schließlich verurteilt und saß sieben Jahre im Gefängnis. Er stimmte einem Laisierungsferfahren zu, die Diözese zahlte ihm 100.000 Dollar für seine Unterstützung. Nach dem Gefängnisaufenthalt wurde O´Grady in sein Heimatland Irland abgeschoben.
Nun ist zu lesen, dass O´Grady erneut verhaftet worden ist. In einem Flugzeug hat er seinen Laptop vergessen. Man fand Kinderpronographie. Außerdem soll er in einer holländischen Pfarrei als Freiwilliger gearbeitet, soll Kinderpartys bei McDonalds veranstaltet haben. Die Leute dort wussten nicht, wer er war, bis ein Mitglied der Pfarrei den Film über O´Grady gesehen hat und ihn wiedererkannte.
"We don't blame Oliver," so wird ein Priester, der in den amerikanischen Priesterseminaren präventiv arbeitet in dem Artikel zitiert. "He can't control himself. It was the people who were supposed to supervise him (we blame)." Man muss die bloßstellen, die hätten auf ihn aufpassen sollen. Hhm. Vielleicht seine Familie? Irgendwie scheint da kirchlicherseits ein sehr instrumentalisiertes Verantwortungsbewusstsein vorzuherrschen: Bis etwas rauskommt, gehört ein Täter zur Familie und die Familiensysteme schützen, decken - und verhindern Aufklärung. Zum Beispiel, dadurch, dass Gespräche vertraulich bleiben und Inhalte Verfolgungsbehörden nicht zur Verfügung gestellt werden - es gilt Vertraulichkeitsschutz - die Familie halt, sicherlich auch ein hohes und wichtiges Gut. Kommt etwas raus, kauft sich die Kirche frei, indem sie ein Laisierungsverfahren forciert und das Mittun des Täters und Priesters honoriert. Ist er dann wieder Laie, hat sie nichts mehr mit ihm zu tun. Er wird verstoßen. Und seine Schaurigkeiten können weitergehen, in Irland, in Holland oder sonst wo. Nicht mehr unser Problem. Wahnsinn, wenn man drüber nachdenkt. Verantwortung? Nein, nirgends, zu keiner Zeit.
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