"Wenn ich bei Fortbildungen auf die diakonale Realpräsenz Christi (Mt 25) in „Hungernden“, „Dürstenden“ usw. hinweise und mir von Priestern vorgeworfen wird: „Sie wollen aus mir einen Sozialarbeiter machen!“, dann bin ich mit meinem Latein am Ende." Das sagt der Pastoraltheologe Prof. Udo Schmälzle in einem Interview mit Caritas in NRW.
Mit dem Blick auf Weihnachten erscheinen Denkgebäude, die immer größere "pastorale Räume" mit glänzenden theologischen Begrifflichkeiten legitimieren wollen, in der Tat gerade besonders fadenscheinig. Wir ahnen doch schon die Weihnachtspredigten vom Jesus, dem Kind, der in die Schwachheit und Armut der Welt hineingeboren worden sei. Gott werde berührbar, den Menschen gleich, zeige sich unbedingt solidarisch mit der Welt. Und sie stimmen ja auch, diese wunderbaren Gewissheiten der Weihnacht. Oder stimmt es nicht, was Albertus Magnus schreibt: "Will man fragen nach den Geheimnissen Gottes, so frage man nach dem ärmsten Menschen, der auf Erden weilt und der mit Freuden arm ist aus Liebe zu Gott, der weiß von Gottes Geheimnissen mehr denn der weiseste Gelehrte auf Erden"? Zur Zeit scheint die Kirche und ihre Lenker, scheinen die Gemeinden an einem Scheideweg zu stehen: Glauben wir wirklich daran, dass Jesus im Menschen nebenan, also gerade im Hungenden, Dürstenden oder - sozialarbeiterisch gesagt - im Benachteiligten erscheint? Und bleibt dies bei Kalendersprüchen und Gardinenpredigten - oder spiegelt sich das auch in der Struktur von Kirche, die ja Dienstleisterin des Heils ist, wider?
Es sei unbegreiflich, wie sich die Kirche gegenwärtig selbst zum Totengräber von Gemeinden mache, die auch ohne die direkte Leitung durch einen Priester überlebens- und – sicher in begrenzter Form – pastoral handlungsfähig wären, so Schmälzle. In den ersten Jahrhunderten seien die Gemeinden nicht von der Zahl der Priester bestimmt worden, im Gegenteil: Die Weihe eines Priesters durch den Bischof sei nach der Lehre des Konzils von Chalcedon ungültig gewesen, wenn der Weihekandidat nicht von einer Gemeinde entsendet worden sei: "Ich frage mich, wie Bischöfe angesichts dieser Entwicklung noch ruhig schlafen können." Das Prinzip der Sozialraumorientierung, Projekte konsequent in überschaubaren Räumen zu platzieren, in denen Menschen ihren konkreten Alltag bewältigen müssen, sei in der Tat über Jahrhunderte auch die Strukturmaxime pastoraler Gemeindeplanung gewesen. Die Kirche wollte mit ihrer Seelsorge dort sein, wo die Menschen leben und arbeiten, so Schmälzle weiter. In einer von der Regierung in NRW in Auftrag gegebenen Studie zur präventiven Sozialarbeit im Stadtteil sei festgestellt worden, dass die einzige einigermaßen dauerhafte und nachhaltig stabile Struktur, auf welche die sozialen Dienste im Stadtteil zurückgreifen könnten, in den konfessionellen Kirchengemeinden vorgehalten werde. "Wie lange noch?" fragt der Emeritus. Arme Menschen gerieten aber bei der aktuellen Neugestaltung von pastoralen Räumen in den Diözesen aus dem Blickfeld. Während sich der Lebensraum von Alten, Kranken, Alleinerziehenden und Hartz-IV-Empfängern immer mehr verenge, rücken die Gemeindezentren immer weiter weg und würden gerade für die immobilen Alten und Kranken immer schwerer erreichbar. Schmälzle sei überrascht gewesen, wie bei Befragungen gerade alte Menschen diese Entwicklung beklagen und sich von der Kirche alleingelassen fühlen.
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