"Die Heiligen machen die Grenze zwischen Himmel und Erde durchlässig. Sie sind "Medien", mit denen man diese Grenze leicht kreuzen kann. (...) Anschaulich wird diese mediale Funktion der Heiligen in der Verehrung von Reliquien (...). Wer die Reliquie eines oder einer großen Heiligen anschaute, berührte oder besaß, der hatte Anteil an der Macht, die diese oder dieser Heilige ausübte. Sehr verschroben kommt uns das heute vor."
In der Tat. Aber Ruster wählt einen coolen Vergleich, von dem man allerdings sagen muss, dass er auf der Hand liegt - wenn man von ihm gelesen hat:
"Aber andererseits: Wir nehmen Geld in die Hand und wissen uns damit im Besitz der Macht, die das Geld verleiht. Der Geldschein ist ein wirksames Zeichen einer Macht, so unscheinbar er auch sein mag. Noch unscheinbarer als die vertrockneten Knochen der Heiligen, die in den Reliquienschreinen aufbewahrt wurden. (...) Mit dem Geld wird die Grenze zwischen Haben und Nichthaben gekreuzt - ich gebe das Geld, dann bekomme ich etwas, das ich vorher nicht hatte -, mit der Reliquie die Grenze zwischen Erde und Himmel. Wie das Geld waren die Reliquien damals hoch begehrt, sie mussten wie das Geld vor Fälschung und Inflation geschützt werden. Wie beim Geld war ihr Wert nur durch Glauben gedeckt. Nun, die Reliquienwährung werden die Christen heute nicht mehr im Umlauf bringen können. Aber sie sind doch ein schönes Beispiel dafür, dass es einmal eine eigene christliche Währung gegeben hat. Sie beruhte nicht auf der Erwirtschaftung von Mehrwert, sondern auf den Verdiensten der Heiligen. Sie machte nicht die einen reich und die anderen arm, sondern bereicherte das ganze Christenvolk mit den Gnaden des Himmels." (S 192)
Da werde ich beim nächsten Besuch in der Goldenen Kammer von St. Ursula drüber nachdenken.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen