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Von Peter Otten
Ich schreibe diesen Text einen Tag, nachdem in Saint-Etienne-du-Rouvray der Priester Jacques Hamel ermordet worden ist. Ich sitze am Küchentisch. Hier weht ein kühles Lüftchen. Im Arbeitszimmer ist es stickig. Draußen auf dem Balkon summen Bienen, während sie in einer Ranke, die sich an der Hauswand hinauf windet, Blütenstaubpäckchen zusammenklauben. Ich weiß nicht, wie die Pflanze heißt, nur dass sie im Spätsommer dunkelblaue Beeren austreibt, die sich im Herbst die Vögel holen werden
Für eine Zeitschrift muss ich bis zum Ende der Woche noch eine Kolumne schreiben, deswegen sitze ich hier. Aber zum ersten Mal bin ich stumm.
„Wer hätte noch bis vor kurzem gedacht, dass es im Herzen des freien Europas wieder zu christlichen Märtyrern kommen würde?“ schreibt einen Tag nach dieser schrecklichen Tat ein Priester auf Facebook. Mir wird unwohl, als ich das lese. Da ist mir zu viel schnelle, gewaltige Deutung drin. Ich finde die Tat wie jede Gewalttat zutiefst schrecklich und sinnlos. Es ist, als blickte ich in ein tiefes schwarzes Nichts. Gott will keine Opfer und auch keine Blutzeugen. Ich blicke auf den Balkon, schaue dem Spiel der Bienen zu. Ich habe gerade keine Möglichkeit, dem Blick in das Nichts auszuweichen und spüre sogar, dass es im Moment richtig wäre, genau das auszuhalten. Vielleicht schweigt Gott auch gerade. Es geht nicht um Muslime gegen Christen. Es geht darum, jenen Moment auszuhalten, der jedes Leben zutiefst sinnlos zu machen droht. „Auch ein Selbstmörder möchte doch lieber in einem Eigenheim in Frieden leben als sich umzubringen“, sagt mir gestern jemand am Telefon. Und auch ein 86jähriger Priester will leben. Was denn sonst?
Dieser Gedanke ist zwar tröstlich, aber
auch gewaltig. Ich mag das noch nicht denken. Vielleicht kann ich es nie. Aber das
Aushalten meines eigenen Schweigens ist vielleicht ein Anfang, Gott.
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