Donnerstag, 6. August 2015

Bei gleicher Qualifikation

Viele katholische Angestellte hatten bisher die Wahl zwischen Versteckspiel und Kündigung. Die Novelle des katholischen Arbeitsrechtes bringt im Einzelfall Erleichterung. Ein wirklicher Paradigmenwechsel ist es noch nicht.


von Norbert Bauer

„Caritas: Homosexuelle Hort-Leiterin darf bleiben“ so eine Nachricht wäre bis vor wenigen Wochen so wahrscheinlich gewesen wie die Kicker-Schlagzeile: „Bayer Leverkusen ist Deutscher Meister“. Die Katholische Kirche in Deutschland hat aber zum 1. August ihr Arbeitsrecht geändert und kann sich deswegen über ungewohnt positive Schlagzeilen freuen. Im konkreten Fall geht es um eine Hort-Leiterin im bayrischen Holzkirchen, die eine eingetragene Partnerschaft mit ihrer Freundin eingegangen ist. Im Frühjahr wurde ihr mit Verweis auf das Arbeitsrecht und den dort aufgeführten Loyalitätspflichten gekündigt – jetzt kann sie mit Verweis auf das novellierte Arbeitsrecht ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. „Die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses der Hortleiterin wegen eingetragener Lebenspartnerschaft hat aufgrund der neuen Grundordnung keine Rechtsgrundlage mehr. Das Beschäftigungsverhältnis besteht weiter.“ Auch wenn die „individuelle Rechtsposition durch die Novelle nicht gestärkt wird“ (Bier/Steenberg/Vogel) ist es für die Hortleiterin eine gute Nachricht, ebenso für viele andere Angestellte in katholischen Einrichtungen, die mit ihrer Lebensform bisher angeblich im Widerspruch zu den katholischen Vorstellungen von Partnerschaft gelebt haben und zwischen Versteckspiel und Kündigung wählen mussten.

Würde der katholische Kinderhort jedoch zum Bistum Passau zählen, hätte die Kündigung weiterhin bestand. Denn dort gilt ebenso wie in den bayrischen Bistümern Eichstätt und Regensburg weiterhin das alte Dienstrecht. Bischof Oster, die episkopale Inkarnation des CSU Slogans „Lederhose & Laptop“, will mit seinen beiden Amtsbrüdern erst noch überprüfen lassen, ob die neuen Regelung den „Anforderungen des universalen Kirchenrechts entspricht“. Mit anderen Worten, sie tun das, was Oppositionsparteien gerne tun: Sie rufen das Bundesverfassungsgericht an, in diesem Fall natürlich die katholische Variante in Rom unter Vorsitz von Kardinal Gerhard Müller – vielleicht auch in der Hoffnung, ähnlich erfolgreich zu sein wie vor Jahren Kardinal Meisner mit seiner Intervention gegen die katholische Schwangerschaftskonfliktberatung. Dabei versteht Bischof Oster die Mehrheit seiner Amtsbrüder: „Verständlich ist freilich, dass viele Bischöfe aus Bistümern mit deutlich weniger Katholiken als wir in Bayern, sich noch schwerer tun als wir, geeignetes Personal für ihre Einrichtungen zu finden.“ Er legt damit die Motivlage für die neue Ordnung offen. Es geht um den Erhalt der katholischen Einrichtungen. Ähnlich sieht es der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, der die neuen Regelungen im Gegensatz zu seinem süddeutschen Kollegen begrüßt und umsetzt. „Anders könnten wir auch gar nicht weitermachen, weil wir sonst zu wenig qualifizierte Mitarbeiter bekämen, um unsere Einrichtungen zu betreiben, insbesondere unsere 25 katholischen Schulen, die Kitas oder die Beratungsstellen der Caritas mit ihrer großen missionarischen Ausstrahlung.“ Wer so argumentiert, setzt sich dem Verdacht aus, den homosexuellen Erzieher oder die wiederverheiratete Chefärztin nur deswegen weiter zu beschäftigen, weil er nicht genügend katholisch korrekt lebende Mitbewerber gibt. Konsequent müssten Stellenausschreibungen katholischer Einrichtungen dann zukünftig lauten: „Bei gleicher Qualifikation wird der/die heterosexuelle verheiratete Vater/Mutter bevorzugt.“ Ein wirklicher Paradigmenwechsel wäre das neue Arbeitsrecht, wenn nicht die Existenzsicherung katholischer Einrichtungen im Zentrum der Novelle stünde, sondern der Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin mit den eigenen beruflichen Qualifikationen und mit dem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Vielleicht wäre diese Einstellung auch die Antwort auf die von Erzbischof Heße zu Recht gestellt Frage, „was das ‚Katholische“ unserer Einrichtungen ausmacht.“









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