Freitag, 14. Februar 2014

Der Kaiser ist nackt

Foto: Rainer Sturm / pixelio.de
Das Immobiliengeschäft des Erzbistums Köln zeigt die Arroganz eines Systems, dass sich für etwas Besseres hält, weil es von sich glaubt, das Heil des Evangeliums exklusiv zu verwalten. Weil das so ist, ist man in dieser Systemlogik immer auf der Seite der Guten - und Steuertricks sind gewissermaßen heilsnotwendig.

Von Peter Otten

Wenn die Berichterstattung in der aktuellen Ausgabe der ZEIT zutrifft - und das Erzbistum hat die wesentlichen Punkte in einer Pressemitteilung im Grunde bestätigt - dann ist etwas Entscheidendes kaputt gegangen. Warum? Das Erzbistum kauft eine teure Immobilie und findet einen listigen Weg, in ihren Besitz zu kommen, ohne die eigentlich fällige Grunderwerbssteuer zu zahlen. Der Finanzdirektor antwortet auf die Frage, warum man das Konstrukt, das die Steuerersparnis ermöglichte nicht auflöse: "Das würde doch nur unnötig Geld kosten, für das wir eine bessere Verwendung finden." Aus diesen Worten spricht nicht nur die pure Arroganz eines Systems, dass sich nicht scheut, die Logik von Uli Hoeness für sich in Anspruch zu nehmen, auch wenn das gewählte Steuersparmodell legal sein mag. Zweitens, und das ist eigentlich noch viel unbegreiflicher, machen diese Worte deutlich, welch zynische Haltung das Bistum gegenüber der öffentlichen Hand und ihren Aufgaben hat: Weil wir es besser können als ihr, ja, weil wir besser sind habt ihr auch keinen Anspruch auf das Geld. Vor dem Hintergrund der sagen wir ruhig: Knebelung von Land und Kommunen bei der Absenkung des kirchlichen Eigenanteils bei den Kindertagesstätten während der Sparrunde zu "Zukunft heute" im Jahr 2007 ist dies tatsächlich an Arroganz kaum noch zu toppen. "Bisher gab es keinen Anlass, die Gesellschaft zu liquidieren", schreibt die Pressestelle. Denn: "Durch den Kauf ist ein Zentrum für Seelsorge, Bildung und Kultur für tausende Besucher entstanden. Besucher des Domes sowie Katholiken und Teilnehmer an Kursen des Bildungswerkes nutzen heute das Domforum. Auch die Redaktion des Domradios hat hier ihren Sitz und überträgt von diesem Standort Gottesdienste aus dem Dom." Es ist ja in den Augen des Erzbistums etwas Gutes entstanden - und wenn Gottesdienste aus dem hillije Dom übertragen werden können, sind ein paar Steuertricks doch wohl, wie heißt das noch in der Szene ... ach ja: Peanuts.

Und tatsächlich scheut man sich nicht, für diesen Zynismus nicht nur die Mitarbeitenden, sondern auch die Armen und Obdachlosen in Mithaftung zu nehmen, heißt es doch weiter: "Für die über 50.000 Mitarbeiter des Erzbistums Köln steht (Achtung, jetzt kommts!) der Mensch (sic!) im Mittelpunkt", schreibt die Pressestelle. "Als Seelsorger, Erzieher oder Pfleger tun die Mitarbeiter ihrem Nächsten etwas Gutes. Dabei sind gerade die „Armen“ (wieso eigentlich mit Anführungsstrichen? Berührungsängste? ein letzter Hauch von Skrupeln?) nicht nur in Sozialstationen, der Pfarrcaritas oder in Obdachlosenstellen immer im Blick und werden besonders gefördert." Ist die Botschaft wirklich ernstgemeint, die in diesen Sätzen mitschwingt und ungefähr so lautet: "Wir brauchen deswegen keine Steuern zu zahlen, weil wir die Armen und Ausgegrenzten dann mehr lieb haben können?" Meint ihr das wirklich so? Es steht zu befürchten.

Auf die im Artikel der ZEIT erwähnten Vorwürfe unethischer Geldanlage entgegnet der ehemalige Generalvikar und jetzige Dompropst Norbert Feldhoff, es sei "natürlich schwer möglich, eine 100 Prozent ethisch korrekte Anlage zu machen. Deshalb sollten wir ehrlich sein und sagen: Wir haben uns bemüht." Ein kirchlicher Angestellter, dessen Ehe gescheitert ist und der eine neue Liebe gefunden hat würde mit diesem Satz nie im Leben bis zum Andy-Warhol-Bild im Vorzimmer des Dompropstes vordringen und muss nun bestürzt feststellen, dass fragwürdige Kohle in der Kirche eher absolviert wird als eine persönlich schwierige Situation. Jemand, der mitbekommt, wie sich kirchliche Behörden nicht scheuen, bei Eheannulierungsverfahren lustvoll knietief in persönlichsten Angelegenheiten von Betroffenen zu waten und das ganze noch als Heilsdienst zu werten oder die Situation von Religionslehrerinnen und -lehrern kennt, deren Personenstand kirchlicherseits regelmäßig auf hundertprozentige Korrektheit überprüft wird, der ist einfach nur fassungslos.

Es ist die kalte Arroganz eines Systems, dass sich für etwas Besseres hält, weil es von sich glaubt, exklusiv das Heil des Evangeliums zu verwalten. Weil das so ist, ist man in dieser Systemlogik immer auf der Seite der Guten - eben "With God On Your Side", wie schon Bob Dylan feststellte. Und weil das so ist sind Steuertricks oder Schnüffelleien eben auch kein Problem, sondern im Zweifelsfall heilsnotwendig. Und deswegen hat man natürlich auch die Definitionshoheit über das "Ideal der Liebe" und regiert nach wie vor ohne schlechtes Gewissen bis in die Betten der Menschen hinein oder stochert in ihren Vergangenheiten herum. Christiane Florin schrieb letzte Woche in Christ und Welt: "Diese selbst ernannten Hüter der katholischen Tradition verwalten eine leere Hülle. Drum herum wabert Selbstgewebtes aus Macht und Moral, eigenem Autoritätsanspruch und Angst der anderen. Aber unter der Hülle ist – nichts." Christus berührbar machen - dieses Motto hört man von Amtsträgern in jeder zweiten Sonntagspredigt. Das Problem ist aber, der Kaiser ist schon lange nackt und die Botschaft auf dem besten Wege zum Kitsch.


3 Kommentare:

  1. Ich mag "polemische Theologie" noch lieber als "narrative Theologie" und möchte beides nicht missen - mehr davon bitte!
    ("Polemik" bei wiki finde ich dazu ganz treffend beschrieben)

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